Die Qualitätssicherung der Big4-Wirtschaftsprüfung scheint gescheitert zu sein. Einen starken Beweis lieferte wohl EY mit den Wirecardprüfungen 2015-2019. 7 EY-WPs verließen gegen Ende der APAS-Ermittlungen den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer.
Man konnte nach den APAS-Feststellungen nicht zur Tagesordnung übergehen. Da passte natürlich das IAASB-Konzept mit aus Alt mach Neu ganz gut. Nach Einsteins Erkenntnis wäre es sonst die reinste Form des Wahnsinns gewesen, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert. Mit dem ISQM 1+2 verschwindet der alte ISQC, dafür nimmt ab Ende Dezember 2023 das Qualitätsmanagementsystem seinen Platz ein. Die neuen QS-Bibeln heißen ISQM 1 und 2.
Im heutigen wp-weekly wird Ihnen der Sprecher der wp.net-Beiräte, WP/StB/RA Holger Friebel, die für uns nicht gelungene Beschlussvorlage zur Transformation der beiden ISQM-Standards in die WP/vBP-Berufssatzung vorstellen.
Kritische Sicht auf die Einseitigkeit der ISQM-1-Transformation
von WP/StB/RA Holger Friebel
Mitglied bei wp-net e.V.
Die von der Transformation betroffenen deutschen Werke heißen WPO und WP/vBP-Berufssatzung. In der WPO soll die bisherige kleine Nachschau nach § 55b Abs. 3 ganz durch die große Nachschau ersetzt werden. Dazu muss aber der deutsche Gesetzgeber mitmachen. Vor allem die Berufssatzung (BS) wird stark geändert.
Der schon 2016 in § 55b Abs. 2 Nr. 1 WPO verankerte jährliche Risikobewertungsprozess wird nun in die Berufssatzung aufgenommen. Dann müssen noch die 8 Komponenten des ISQM 1 mit Inhalten gefüllt werden. Dies betrifft:
- die innerbetriebliche Information,
- die Kommunikation,
- die für die festgelegten Qualitätsziele notwendigen Ressourcen,
- die Governance und
- die Führung,
- die operative Verantwortung für das Qualitätssicherungssystem und für spezifische Bereiche,
- die Letztverantwortung und
- die Rechenschaftspflicht als Ganzes.
Bei der Neufassung der Berufssatzung muss auf die Verhältnismäßigkeit geachtet werden. Hier bietet der WPK-Vorstand zurzeit keine Lösungen an. Jeder Praxisinhaber muss zukünftig ein den konkreten Verhältnissen der jeweiligen WP/vBP-Praxis entsprechendes Qualitätsmanagementsystem unterhalten (§ 8 I BS). Zu mehr Skalierung konnten sich die KfQK (Verfasser der Änderungen) und der WPK-Vorstand (Entscheider) bislang noch nicht durchringen.
Ob diese Formulierung sich als Freiraum für Gestaltungen herausstellen wird oder sich eher zum Berufsverbot entwickelt, wird sich erst in einigen Jahren zeigen.
Nach den o.g. 8 Komponenten des QMS sind die relevanten Qualitätsziele von der einzelnen Praxis festzulegen. Die Qualitätsrisiken (QR), die den Qualitätszielen (QZ) im Wege stehen, sind zu identifizieren und zu bewerten. Dazu sind Maßnahmen zu treffen, um die QR zu beseitigen.
Dabei ist auch das QMS der gesamten Praxis zu sichten und zu bewerten. Die Nachschau muss zum Ergebnis kommen, dass das QMS hinreichende Sicherheit bietet, dass die festgelegten Ziele erreicht werden. Dazu sind folgende Ergebnisse zu liefern:
- ISQM 1 Nr. 14a: Die Praxis erfüllt alle Pflichten aus den Standards und den gesetzlichen Anforderungen. Die Auftragsbearbeitung erfolgt in Übereinstimmung mit Standards und Anforderungen.
- ISQM 1 Nr. 14b: Die Nachschau- und Prüfungsberichte sowie Bestätigungsvermerke sind angemessen.
In der Dezembersitzung des Beirats soll eine 2/3 Mehrheit die Zustimmung geben. wp-net findet diese Big4-Schnellschüsse kontraproduktiv, weil vor allem die Skalierung nicht hinreichend berücksichtigt wurde.
ISQM 1 im Skalierungsmodus – WPK-Vorstand macht hier bislang nicht mit!
Die kleinen Praxen und Mittelständler gehen bislang bei den Lösungsvorschlägen der KfQK und des WPK-Vorstands leer aus. Praktikable Skalierung, wie vielfach vom ISQM 1 vorgesehen, ist im Beschlussvorschlag nicht enthalten.
Wir sind der Meinung, dass die Einzelpraxen und der Mittelstand in Bezug auf das neue QMS ein abgestuftes Verfahren brauchen, wie dies auch ISQM 1 vorsieht. Für die wenig komplexen Praxen, aber zahlreich vertretenen, muss die Skalierung mit Leben erfüllt werden. Dazu sind die ISQM-1-Skalierungstexte noch in eine verständliche deutsche Sprache zu übersetzen. Der IDW QMS 1 ist dazu nicht brauchbar, weil er insgesamt nur zwei Skalierungen (zum Informationswesen) vorsieht.
ISQM 1- Anwendungshinweise unterstützen durchweg die Skalierung
Die Grundlagen für die Skalierung stehen im ISQM 1,Tz10: Der risikobasierte Prüfungsansatz verlangt, dass sowohl Art und Umstände der Praxis selbst als auch Art und Umstände der von der Praxis durchgeführten Prüfungen dabei berücksichtigt werden.
Dass der WPK-Vorstand und die KfQK einen Bogen um die ISQM-1-Reform bei den Einzelpraxen und Mittelstand machen, wird deutlich anhand der vielen weggelassenen Anwendungshinweise.
So wurden die im ISQM 1 unter A29, A35, A39, A52, A99, A111, A144, A156, A166; A189, A199 und A203 beschriebenen Erleichterungen für kleine und mittlere Praxen nicht übernommen. Diese Erleichterungen findet man im Text entweder unter „less complex“ oder unter „sole practitioner“. Hier der Link zum Nachlesen der Auslassungen für die Berufssatzung aus dem Volltext mit den Inhalten aus ISQM 1.
Schlussfolgerungen aus der vergleichenden Analyse „Neue Berufssatzung“ und „neuer ISQM 1“ mit den europäischen Vorgaben für die Non-PIE-Prüfer
Das Konzept ISQM 1 hat sich vom Konzept des Qualitätssicherungssystems losgesagt und wendet sich dem Konzept des Qualitätsmanagementsystems zu. Die IAASB-Lösung entfernt sich damit auch vom QS-Konzept der EU-Kommission, so wie dies in der Abschlussprüferrichtlinie (RL 2014/43/EG VOM 16.4.2014) und der Abschlussprüferverordnung (VO EU 537/2014 vom 16.4.2014) niedergelegt ist.
Die EU-Lösung hatte vor allem Erleichterungen für kleinere und mittlere Prüfungspraxen im Fokus. Diese Erleichterungen bleiben bei der Transformation von KfQK und WPK-Vorstand in die WP/vBP-Berufssatzung auf der Strecke. Damit verstoßen die vorgeschlagenen Änderungen der WP/vBP-Berufssatzung einmal gegen EU-Recht und des Weiteren gegen die Umsetzung des Small Business Act, weil die WPK die Skalierungsmöglichkeiten des IAASB nicht im erforderlichen Umfang in die BS übernimmt.
Die Änderungen treffen ausschließlich die kleinen und mittleren Prüferpraxen mit ihren Prüfungen aus der Gruppe der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen.
Die EU-Kommission sowie der deutsche Gesetzgeber planen derzeit keine Verschärfungen bei den Anforderungen an das Qualitätssicherungssystem kleinerer und mittlerer Wirtschaftsprüferpraxen. Die großen Marktteilnehmer (Big4, Next-Twenty) müssen keine Anpassungen vornehmen, da diese bereits den strengeren Vorgaben der EU-VO 2016 unterliegen.
Es stellt sich für wp.net die Frage, warum die Wirtschaftsprüferkammer für die überwiegende Anzahl ihrer Mitglieder eine Verschärfung der Regelungen zur Qualitätssicherung verlangt und damit einseitig die kleinen und mittleren Praxen (wieder) benachteiligen möchte.
Nach eingehender Diskussion in unseren Fachkreisen (Beiräten und wp.net-Vorstand) sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass neben den vorgeschlagenen Änderungen auch andere Satzungsänderungen in Angriff genommen werden sollten. Darunter fallen Regelungen in der Kammersatzung und auch in der Satzung für Qualitätskontrolle, weil die von der KfQK gelieferten Hinweise bislang nicht die Erwartungen an die Verhältnismäßigkeit erfüllen.
Ihr
Holger Friebel
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Bildnachweis: Wright Studio/Shutterstock