Qualitätsreduzierung:
Unabhängige Auftragsprüfung wird auf das Niveau der internen Nachschau abgesenkt!
Die heutige Qualitätskontrolle (QK)-Praxis hat ihren Ursprung in der Reformzeit 2016. Dort wurde erstmals in der Satzung für Qualitätskontrolle (SfQK) geregelt, dass eine wirksame Nachschau bei der Auftragsauswahl in der PfQK berücksichtigt werden darf. Rechtsgrundlage ist § 20 Abs. 3 SafQK:
- Satz 3: Ist die Nachschau wirksam, hat der Prüfer für QK (PfQK) dies bei der Auswahl zu berücksichtigen.
- Satz 4: Die wirksame Nachschau kann jedoch eine eigene Auftragsprüfung nicht ersetzen.
Damit entsteht ein offener Bereich: Die Satzung sagt nicht, wie das Verhältnis zwischen Nachschaustudium und Auftragsprüfung auszugestalten ist. Diese Leerstelle wird vollständig der Entscheidung des PfQK überlassen – und die KfQK akzeptierte diese Entscheidungen wohl über Jahre hinweg kommentarlos. Jedenfalls könnte man zu der Annahme gelangen, dass im Tätigkeitsbericht nicht pflichtgemäß darüber berichtet wurde.
Die Folge: Die QK-Teams bei Großpraxen konzentrieren sich stark auf Nachschauprotokolle, interne Checklisten und die Wirksamkeitsfeststellung, während ihre eigentliche Auftragsprüfung quantitativ auf ein Minimum reduziert wurde.
Die Umsetzung in den Großpraxen wurde im Berufsstand (Tätigkeitsbericht p.a.) nicht kommuniziert und blieb für viele Kollegen/innen unbekannt.
Der nachfolgende Beitrag vom Kollegen WP Klaus Sgonina beschreibt die aktuelle QK-Situation in den Großpraxen und wie es möglich wurde, dass eine Big4-QK mit einer 1 Promille Auftragsprüfungen quasi einen QK-Freibrief bekommt.
Ich wünsche Ihnen wertvolle und klare Erkenntnisse aus den folgenden Einblicken.
Ich grüße Sie herzlich
Ihr Jörg Rompf, WP
Kandidat bei den Beiratswahlen 2026

Minimalprüfung statt Qualitätskontrolle: Wie Großpraxen mit 0,1 % – Stichproben auskommen
Welche Ausprägung die KfQK-Satzung 2016 hatte, lässt sich aus brancheninternen Zahlen erschließen, die seit Jahren kursieren:
Großpraxen führten im 6-Jahres-Turnus ca. 30.000 bis 36.000 Abschlussprüfungen durch. Die PfQK-Teams prüfen davon rund 50 bis 60 Aufträge.
Dies entspricht einer Quote von:
- 0,1 %, also 1 Promille
Die KfQK hat selbst diese niedrige Quote an Auftragsprüfungen bei den Großpraxen regelmäßig mitgetragen.
Statistisch lassen sich mit solchen Quoten keine Mängelraten ermitteln, und genau dies scheint auch nicht beabsichtigt zu sein. Die Satzung 2016 liefert dazu die passende Begründung:
Aufträge sollen risikoorientiert ausgewählt werden – nicht repräsentativ.
Damit entfällt jede Notwendigkeit einer breiten Stichprobe; der Satzungsgeber sieht dies ausdrücklich vor, das „Mittelstandsministerium“ trägt dies mit. Dass sich damit eine „statistische Wahrheit“ über die Mängelquote großer Praxen nicht ermitteln lässt, ist eine bewusste Entscheidung des Normgebers. Die Regeln ermöglichen genau jene Praxis, die seit Jahren angewendet wird. Oder anders gesagt: Wer die Regeln aufstellt, gewinnt das Spiel. Das ist auch der höhere Sinn dieser Regeln!
Praktische Konsequenz: Nachschau schlüpft in die Rolle der Auftragsprüfung
Die eigentliche Prüfungsarbeit der PfQK in Großpraxen besteht damit zu einem überwiegenden Teil aus der Auswertung der internen Nachschau:
- Nachschau-Checklisten
- Nachschau-Kontrollberichte
- Interne Bewertungen der Prüferqualität
- Dokumentation der Wirksamkeitsfeststellung
Weil die Satzung fQK damit die Nachschau inhaltlich der Qualitätskontrolle (QK) gleichstellt, wird die QK zu einer Art Mischlösung, in der die PfQK die Ergebnisse der internen Überwachungssysteme übernehmen und sich zu eigen machen.
Zudem müssen alle auftragsverantwortlichen Wirtschaftsprüfer nicht zwingend in die Stichprobe einbezogen werden – eine wesentliche Abweichung gegenüber Österreich, wo jede verantwortliche Person zumindest mit einem Auftrag geprüft werden muss.
Die Gleichstellung von Nachschau und QK schafft einen erheblichen, möglicherweise sogar existenziellen Vorteil für die Großpraxen.
Ein großer Teil der Prüfungsintensität wird in das Studium des internen Qualitätssicherungssystems der Großpraxen verlagert, während die externe Qualitätskontrolle weitgehend formal bleibt.
Die politische Rückendeckung: Das BMWE schützt(e) die bestehende Praxis
wp.net hat diese Praxis im Jahr 2021 dem Bundeswirtschaftsministerium gegenüber kritisiert. Die Antwort aus der Mittelstandsabteilung (Leitung Frau Dr. Hepperle) fiel eindeutig aus: Die Auslegung der SafQK durch die WPK sei „rechtlich vertretbar“ und nicht zu beanstanden.
Zwei zentrale Aussagen aus dem Schreiben an wp-net:
- Der PfQK müsse nicht alle verantwortlichen Wirtschaftsprüfer mit eigenen Aufträgen erfassen; die deutsche Rechtslage erlaube diese Auslegung ausdrücklich.
- Aus dem österreichischen Fachgutachten „jede verantwortliche Person muss mit mindestens einem Auftrag geprüft werden“ ließen sich keine Rückschlüsse auf die deutsche Regelung ziehen.
Damit ist klar:
Der Gesetzgeber kann eine strengere Lösung vorsehen – er will es aber nicht (wegen der Großpraxen?).
Die Interessenlage der Big4 wird ausdrücklich nicht infrage gestellt. Für die Reformforderungen des Mittelstands bedeutet dies: Rechtlich möglich, politisch, aber nicht gewollt. Oder anders gesagt: Wer die Regeln aufstellt, gewinnt das Spiel. Das ist auch der höhere Sinn dieser Regeln!
Was steckt hinter dem Auftrag der KfQK 2022 zur Auftragsauswahl?
Nach der Auswertung der QK-Berichte der Großpraxen 2020/2021 tauchte im KfQK-Tätigkeitsbericht 2022 unter Grundsatzthemen (Qualitätskontrollen großer gemischter Praxen) ein Hinweis auf, der aufhorchen ließ:
„Die KfQK hat sich erneut mit der Auftragsauswahl großer Praxen beschäftigt und zwei Kommissionsmitglieder beauftragt, einen Vorschlag für eine „angemessene und verhältnismäßige“ Auftragsauswahl für die Großpraxen zu entwickeln.
Der entsprechende Aufsatz wurde im WPK-Magazin 3/2022 veröffentlicht. Dazu in einem späteren Weekly mehr.
Dass die KfQK sich nach Jahren erneut mit diesem Thema beschäftigt, zeigt:
Die bisherige Praxis wird wohl intern als korrekturbedürftig angesehen. Sonst gäbe es keinen Anlass, das Thema erneut von Mitgliedern der KfQK bearbeiten zu lassen.
Die große Reform 2016 hat ein System geschaffen, das heute vermutlich nicht mehr stabil tragfähig ist und wahrscheinlich nie war. Die nächste QK-Runde der Großpraxen muss und wird deutlich anders aussehen als in den vergangenen sechs Jahren.
Ausblick
Die uns vorliegenden Hinweise sprechen dafür, dass sich die KfQK aus guten Gründen erneut mit der Praxis der Großpraxen auseinandersetzt. Die Vermengung von Nachschau und QK – eine 2016 still eingeführte Reform – steht offenbar vor einer Neubewertung.
Entscheidend werden die Beiratswahlen 2026 sein: wp.net braucht die absolute Mehrheit, um eine faire und ausgewogene Qualitätskontrolle durchzusetzen.
Kann sich wp.net gegen die bisherige politische Rückendeckung der Großpraxen (IDW, Wirtschaftsministerium) durchsetzen? Das können die KMU-Wähler mit ihrer Stimmenmehrheit entscheiden.
Nur mit einer Reform der QK lässt sich die Balance zwischen Mittelstand und Großpraxen nachhaltig sichern.
Fortsetzung folgt!
Ich wünsche Ihnen wertvolle und klare Erkenntnisse aus den Einblicken in die „Großpraxen-Überwachung“.
Ihr Klaus Sgonina, WP/StB
Kandidat bei den Beiratswahlen 2026
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Bildnachweis: Stock-Illustration: Vitalii Vodolazskyi/Shutterstock
