Berichtsergänzung zum US Banken-Desaster
Banken-Desaster
Kategorie: WP in den Medien
Datum: 12.05.2023

 

Die FT-Berichterstattung erlaubt uns, unseren Newsletter vom 24. März 2023 zu ergänzen.

Die jüngst gescheiterten drei US-Banken Silicon Valley (SVB), Signature und First Republik hatten eines gemeinsam: den Abschlussprüfer KPMG! Die KPMG prüfte die SVB seit 28 Jahren und die Signature seit 22 Jahren.

Vor der Veröffentlichung des Jahresberichts müssen auch die US-Abschlussprüfer beurteilen, ob erhebliche Zweifel an der Überlebensfähigkeit des Unternehmens im nächsten Jahr besteht. Der Bestätigungsvermerk müsste in einem solchen Fall eine Warnung enthalten. Diese Warnung blieb bei allen drei Banken aus. So kam es wohl, wie es kommen musste …

Nach dem Banken-Scheitern antwortete KPMG sinngemäß mit dem von EY benutzten Narrativ: „Wir stehen hinter unseren Prüfungen, weil die Prüfungen in Übereinstimmung mit professionellen Standards durchgeführt wurden. Wir haben bei den Prüfungen alle Fakten berücksichtigt, es waren marktbedingte Ereignisse, die zum Scheitern der Banken führten.“

Mit weichen Faktoren zu einer starken Prüfung

Nach unserer Erfahrung sind es die weichen Faktoren, die wir Berufspflichten nennen, und nicht die professionellen Standards, die über die Qualität einer Prüfung entscheiden. Die Einhaltung der Berufspflichten (Unabhängigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Verschwiegenheit, Gewissenhaftigkeit, Unparteilichkeit) und seit 2016 die aus der Unabhängigkeit befreite kritische Grundhaltung – von Prof. Naumann zum Prüfer-Gen erhoben – gewährleistet die Einholung von angemessenen und ausreichenden Prüfungsnachweisen. 

Fachleute haben das Wort

Die FT berichtet über aktuelle Fälle von fehlender kritischer Grundhaltung und von abhanden gekommener Unabhängigkeit. In der FT vom 3. Mai entlastet die frühere KPMG-Partnerin und heutige Professorin McKenna die KPMG-Prüfer, den drohenden Banken-Run übersehen zu haben. Für McKenna lieferte KMPG jedoch zweifelhafte Prüfungsleistungen ab. Sie stellt KPMG jene Fragen, die sich die KPMG-Prüfungsleitung wohl auch hätte selbst stellen müssen: Basierten die Prüfungen auf der richtigen Risikobewertung und waren die KPMG-Prüfer mit der richtigen Prüfungsstrategie unterwegs?

Die FT hinterfragt auch die Job-Rotationen von KPMG-Prüfern ins Management der Kundenbanken. Die Vorstandsvorsitzenden von Signature und First Republic waren ehemalige KPMG-Partner. Eine leitende Partnerin im KPMG-Banken-Prüfungsteam wurde 2021 – zwei Monate nach der Unterzeichnung des Prüfungsberichts – zum Chief Risk Officer von Signature bestellt. Wie hat KPMG reagiert, um die kritische Grundhaltung im Prüfungsteams in Zukunft zu gewährleisten?

FT vermutet, dass die ausstehende Untersuchung der KPMG-Prüfung wahrscheinlich darauf ausgerichtet sein wird, ob die Prüfer von den geprüften Banken hinreichend unabhängig gewesen sind. Die Nichtbeachtung der sog. „red flags“ deutet auf fehlende kritische Grundhaltung und mangelhafter Unabhängigkeit der KPMG-Bankenprüfer hin.

Wie stand es um die erforderlichen Qualifikationen im Prüfungsteam (Grundsatz der Gewissenhaftigkeit), um die Qualität der Bankenabschlüsse in einem Umfeld zu beurteilen, das sich aufgrund steigender Zinssätze erheblich und sehr schnell verändert hat? Wer das geänderte SVB-Geschäftsmodell nicht durchschaute, dem fehlte es für die Prüfung auch an kritischer Grundhaltung.

Weiter berichtet FT über Schwächen im Risikomanagement der SVB und auch über Schwächen in der internen Revision. Ein ehemaliger PwC-Partner, heute an der Uni in Austin/Texas, weist darauf hin, dass die wesentlichen Schwächen im Risikomanagement der Banken von KPMG hätte aufgezeigt werden müssen. Nicht nur die Risiken in der Bewertung der Assets, sondern auch über die in den letzten Jahren aufgestauten Risiken fehlte es an Transparenz.

Alte Geschäftsmodelle in neuer Verpackung anscheinend nicht erkannt!

Risiken im Geschäftsmodell gehören zum Bank-Business, sind aber auch typisch für Bankpleiten. Hierzu erinnert FT an die 2009 Pleite gegangene Bank Thornburg Mortgage. Sie wollte durch die Umstellung des Geschäftsmodells (kurzfristig refinanzierte Hypotheken) noch höhere Renditen einfahren. Die kurzfristige Refinanzierung langfristiger Darlehen war ihr Untergang. Die europäische Pleite-Schwester war die irische „Depfa-Bank“. Das PCAOB entschied damals, dass die leitende Prüferin von KPMG bei der Prüfung der Fortbestehensprognose fahrlässig gehandelt hätte. Das Urteil wurde später von einer höheren Stelle jedoch wieder aufgehoben.

Wenn schon die Führungskräfte der Banken ihr Geschäftsmodell offensichtlich nicht (mehr) verstehen oder (kurzfristig) für höhere Renditen überlisten wollen, dann muss der Abschlussprüfer umso mehr darauf achten, dass das Management die Risiken des Banken-Geschäftsmodells in Griff hat. Notfalls muss der WP im Testat von seiner Redepflicht Gebrauch machen und nicht schweigend „danebenstehen“.

Prüfungsfehler kennen, öffnet über die Fehlerkultur die Tore zu besseren Testaten

Einen Unterschied zwischen USA und Deutschland kann man trotzdem erkennen: In den USA wird in öffentlichen Diskussionen über Bilanzskandale die Vorgeschichte des „späteren Pleite-Unternehmens“ nicht verdrängt. Auch die Erwartungslücke wird nicht als Ausrede für mögliches Prüferversagen herangezogen. Das deutsche Dauer-Narrativ „Erwartungslücke“ wurde zuletzt vom WPK-Präsidenten Andreas Dörschell im FAZ-Artikel vom 1. Mai 2023 „Die Prüfer sind keine Bilanzpolizei“  umfassend bedient. Seiner Behauptung kann ich nicht folgen: „Es ist falsch anzunehmen, dass der Abschlussprüfer für alle Probleme verantwortlich ist, die ein Unternehmen in der Zukunft haben könnte“. „Si tacuisses, philosophus mansisses“, sehr geehrter Herr Präsident! 

Es wäre besser, die WPK startet endlich mit der positiven Fehlerkultur, um den Kapitalmarkt, aber auch den Prüfer-Berufsstand, von schlimmen Wiederholungsfehlern zu kurieren, statt die Erwartungslücke weiter für Ausreden bereitzuhalten.


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Bildnachweis: Migren art/Shutterstock

 

 

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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