Mit den Änderungen der Satzung für Qualitätskontrolle (QK) 2019 sollte ein neues, verhältnismäßiges Zeitalter in der QK für die kleineren WP/vBP-Praxen anbrechen. Dies verlangte schon die EU-RL 2014 (Art. 29 Abs. 3) und der deutsche Gesetzgeber 2016 (§ 57a Abs. 5b WPO).
2022 hatte der gesamte WPK-Vorstand als kleinsten gemeinsamen Nenner in vier Punkten die Verhältnismäßigkeit von der KfQK gefordert. Darunter auch die Abschaffung der Stabilitätsprüfung in kleineren Praxen (2 WP mit höchstens 5 Mandaten). Auch WPK Vorstand Dörschell hatte damals noch zugestimmt.
Nachfolgend erhalten Sie unsere erste Auswertung zur Vereinbarkeit der KfQK-Stabilitätsprüfung mit der EU-RL 2014 und WPO 2016.
Teil 1: Auftakt und Ausgestaltung der deutschen Qualitätskontrolle
Wild-West-Zeiten bei der Qualitätskontrolle – der Stärkere gewinnt!Die Qualitätskontrolle ist erst seit 2006 eine „europäische Lösung“. Bekanntlich haben die Deutschen schon 2000 freiwillig auf Wunsch von IDW/Big4 einen am Vorbild der USA angelehnten Peer Review eingeführt. Die USA beendete den Peer Review bald wieder und führte – nur für die Börsenprüfungen – die Inspektionen ein. In Deutschland haben wir erlebt, dass nach jeder Gesetzes- und Satzungsänderung (bis auf 2019) die Detailregularien für die kleineren WP-Praxen weiter ausgebaut wurden.
Die bürokratischen Regulierungen kamen erst am Ende zum Vorschein und fast immer aus der Feder der Kommission für Qualitätskontrolle (KfQK). Sie nennen sich noch heute schlicht nur Hinweise. Erstes wirtschaftliches Ergebnis: Durch die Nichtbeachtung der Verhältnismäßigkeit stiegen seit 2010 rund 1500 kleine und mittlere Praxen aus dem Prüfungsgeschäft aus.Teil 2: Wieviel Qualitätskontrolle wollten EU-RL und der deutsche Gesetzgeber?
2.1. Die EU-RL 2014 mit der Mindestharmonisierung führte zur Inländerdiskriminierung2014 wurde in Art. 29 Abs. 3 der EU-RL die Verhältnismäßigkeit der Qualitätskontrolle neu eingefügt. Die Änderungsrichtlinie schreibt im Sinne des Small Business Act vor, dass die Besonderheiten von kleinen und mittleren Unternehmen bei der näheren Ausgestaltung der Abschlussprüfungen berücksichtigt werden müssen. Da es sich nur um eine Zielvorgabe für die Mitgliedstaaten handelt, mussten die EU-Mitgliedstaaten zur weiteren Konkretisierung ihren Beitrag erst noch bei der nationalen Gesetzgebung leisten.
Mit der Möglichkeit von unterschiedlichen Regulierungsstufen, schuf die EU einen Flickenteppich, verteilt über 28 EU-Staaten. Diese Mindestharmonisierung führte zur sog. Inländerdiskriminierung. Der deutsche Staat diskriminiert die betroffenen dt. Abschlussprüfer, weil die deutsche Regierung damit die Gruppe der kleineren und mittelständischen Abschlussprüferpraxen stärker regulierte, als dies andere EU-Staaten taten. So kennt z.B. Österreich die Stabilitätsprüfung nicht.
Damit ist für uns Art. 29 Abs.3 EU-RL nicht das Papier wert, auf dem die EU-Pseudo-Verhältnismäßigkeit geschrieben wurde. Die WP-Einzelpraxen und der kleinere WP-Mittelstand bekamen keine Reform mit Augenmaß.
2.2. SPD-Wirtschaftsministerium schafft nur eine inhaltsleere Verhältnismäßigkeit der Qualitätskontrolle
Das Wirtschaftsministerium – als zuständiger dt. Gesetzgeber – nutzte die Prüferreform 2016 nicht, die Regulierung der Qualitätskontrolle mit Augenmaß abzuschließen.
Auch die dt. Gesetzesformulierung zum Art. 29 Abs. 3 EU-RL im § 57a Abs. 5b WPO war das Papier nicht wert, auf dem die Verhältnismäßigkeit geschrieben wurde. Die Gesetzesautoren kamen nicht über Allgemeinplätze hinaus. Prof. Kluth (Uni Halle) schrieb dazu im von wp.net 2015 in Auftrag gegebenen Gutachten:
„Art. 29 Abs. 3 stellt lediglich eine Zielvorgabe für die Mitgliedstaaten dar, die jedoch einer weiteren Konkretisierung bedarf. Der dt. Gesetzesentwurf nimmt eine solche Konkretisierung indes nicht vor, sondern wiederholt in § 57a Abs. 5b WPO lediglich die Maßgabe der EU-Änderungsrichtlinie.
Die formale Forderung nach Verhältnismäßigkeit in § 57a Abs. 5b WPO verkennt, dass es im Außenverhältnis nicht ausreicht, allgemein und unbestimmt eine Anpassung des Prüfungsumfangs vorzuschreiben. Es verbleibt eine erhebliche Rechtsunsicherheit darüber, wie und in welchen Bereichen die Qualitätskontrolle reduziert werden kann. Damit bleibt die Prüfungsintensität hoch, um etwaige Beanstandungen und Maßnahmen (z.B. eine Sonderprüfung, Anm. M. G.) zu vermeiden.“
Das Fazit von Prof. Kluth: „Der Gesetzgeber hat deshalb in diesem Punkt die EU-Richtlinie 2014 nicht umgesetzt, weil § 57a Abs. 5b WPO die Zielvorgabe in Art. 29 Abs. 3 EU-RL nicht wirksam im Außenverhältnis konkretisiert hat“. Weiter schreibt Prof. Kluth: „Nach den Regeln der Verhältnismäßigkeit ist eine Regelung geboten, die konkreter vorgibt, in welchen Bereichen (Auftragsprüfung, Fortbildung, Qualitätskontrollbericht, usw., Anm. M. G.) und mit welcher Reichweite die Kontrollintensität vermindert werden kann.“
Für uns ist deswegen die Nicht-Umsetzung der EU-Verhältnismäßigkeit eine extrem mittelstandsfeindliche Handlung gegenüber den Prüfern des WP-Mittelstands.
Damit unterstützt für uns der deutsche Gesetzgeber die Vertreibungsstrategie von PWC-Chef Prof. Winkeljohann. Im FAZ-Interview am 30.06.2010 gab er seine Meinung dazu bekannt: „Kleine Prüfungsgesellschaften haben nur noch als Boutiquen in bestimmten Nischen eine Überlebenschance“.
Eine Grenze zur Maßlosigkeit bei der Verschärfung der Regelungen bestimmte die EU-RL: wie folgt: „Die Mitgliedstaaten sollten nur dann zusätzliche nationale Prüfverfahren (z.B. Stabilitätsprüfung, Anm. M.G.) vorschreiben oder Anforderungen stellen dürfen, wenn … diese die Glaubwürdigkeit und Qualität der Jahresabschlüsse und konsolidierten Abschlüsse erhöhen.“ In der WPO-Gesetzesbegründung kann man nachlesen, dass der dt. Gesetzgeber sich von diesen Argumenten wohl hat leiten lassen. Beweise für die behauptete Verbesserung der Glaubwürdigkeit und Qualität gibt es bislang keine.
Teil 3: Seitenweise KfQK-Hinweise für den Mittelstand und keine Hinweise für die Big4
Trotz der misslungen Abschlussprüfer-Gesetzgebung der EU 2014 und Deutschland 2016 gab es einige Möglichkeiten der Deregulierung. Diese haben der WPK-Vorstand erst 2018 und der Beirat in der Satzung f. QK 2019 genutzt. Prof. Hansrudi Lenz fand lobende Worte für die risikoorientierte und schwerpunktmäßige Qualitätskontrolle (WP Praxis 2020 Nr. 2 S. 33ff).
Doch 2020 kam die KfQK wieder ins Spiel. Der WPK-Vorstand delegierte die Detailformulierung zu den Satzungsregeln (sog. Hinweise) an die KfQK. Damit wurde das Gegenteil von dem erreicht, was der mittelständische WP-Berufsstand gefordert hat. Die mehr als 50 Seiten Hinweise der KfQK vom Sept. 2020 waren für den Mittelstand unbrauchbar. Auch bei den 2022 veröffentlichten Ergänzungen (sog. F&Q-Äußerungen) bleibt die KfQK ihrer alten Linie treu.
Dagegen wäre es wegen der anstehenden Big4-QK´en 2020/21 geboten gewesen, den Prüfern für QK der Big4 für die Durchführung und Berichterstattung einem Hinweis zur Umsetzung der QK bei Big4 mitzugeben. Damit hätte man auch einen Beitrag zur Glaubwürdigkeit an die Öffentlichkeit abgeliefert. Die Glaubwürdigkeit ist ein Ziel, dass KfQK gerne immer für ihre Regulierungsanhebungen in Anspruch nimmt. Stattdessen wird weiter über Durchführung und Berichterstattung über die Big4-QK´en der Mantel des Schweigens gelegt.
Erstes Ergebnis: Die EU und der deutsche Gesetzgeber haben mit ihren Regelungen und Gesetzen die Verhältnismäßigkeit nicht gefördert, aber auch nicht verboten.
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