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Die Wirtschaftsprüfungskammer (WPK) wendet bei der Beurteilung von Lageberichten anscheinend zweierlei Maß an: Streng bei uns Mitgliedern und lax bei sich selbst.
Mark Schüttler, bekannt aus seinen PRIMUS-Seminaren als kritischer Geist, berichtete kürzlich von einer besonderen Erfahrung mit der WPK in Bezug auf den Bestätigungsvermerk (Form over substance).
In Schüttlers aktuellem Fall geht es um den Lagebericht. Die WPK-Berufsaufsicht monierte bei einem Kollegen unzureichende Inhalte im Lagebericht. Dies veranlasste wiederum Mark Schüttler, den Spieß umzudrehen und für 2023 – nach Auswertung des WPK-Lageberichts – eine positive Kritik zu verfassen.
Genießen Sie Mark Schüttlers Analysen des WPK-Lageberichts 2023. Die wichtigsten, bedeutsamsten, finanziellen Leistungsindikatoren und die Prognoseberichterstattung werden von ihm untersucht. Stimmt die “Rechnung” der WPK – oder bleibt es bei einem, statt mindestens zwei Leistungsindikatoren?
Es grüßt Sie
Ihr Michael Gschrei
und das Team von wp.net
Ob Abschlussdurchsicht oder Qualitätskontrolle…
Immer wieder beanstandet die WPK-Berufsaufsicht eine unzureichende Prognoseberichterstattung zu den bedeutsamsten Leistungsindikatoren eines Unternehmens einschließlich der Prognosegenauigkeit. Die sehr unbeliebte Folge bei den Berufskollegen: Ein Schreiben an das WPK-Mitglied.
Zum Beispiel dieses WPK-Schreiben an einen Berufskollegen:
„In den Lageberichten 2019 bis 2022 werden die Umsatzentwicklung und das Jahresergebnis als bedeuts
amste finanzielle Leistungsindikatoren genannt.
In den Lageberichten 2019 und 2021 wird eine Prognose für das Jahresergebnis, nicht aber für die Umsatzerlöse abgegeben.
In den Lageberichten 2020 und 2022 ist keine Prognose der bedeutsamsten Leistungsindikatoren enthalten. (…)
Bitte nehmen Sie hierzu Stellung.“
Solche Briefe – ohne Begründung – liebe ich. Das ließ mich fragen:
“Wie geht die Wirtschaftsprüferkammer
mit Leistungsindikatoren und Prognosegenauigkeit um?”
Das schauen wir uns näher an!
Finanzielle Leistungsindikatoren
Finanzielle Leistungsindikatoren sind unternehmensindividuelle betriebswirtschaftliche Kennzahlen,
die zur internen Steuerung verwandt werden (DRS 20.102), z.B.:
1. Vermögenslage
- Eigen- oder Fremdkapitalquote
- Vermögensstrukturkennzahlen
2. Finanzlage
- Liquiditätsgrade
- Cashflows
3. Ertragslage
- Umsatzerlöse
- EBITDA, EBIT, EBT
- Jahresüberschuss
Bisher dachte ich:
§ 289 HGB spricht von „bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren“, also Plural.
D.h. mindestens zwei Indikatoren müssen angegeben werden!
Dazu der WPK-Lagebericht 20231:
1.4. Bedeutsamster Leistungsindikator
Die Höhe der allgemeinen Mitgliedsbeiträge
1 Wirtschaftsprüferkammer, Jahresabschluss zum 31. Dezember 2023 und Lagebericht für das Wirtschaftsjahr 2023 der WPK vom 20.3.2024, 5.
Nanu, insb. Anzahl der Mitglieder, Guthaben bei Kreditinstituten und Umsatzerlöse sieht der WPK-Vorstand nicht als bedeutsamste finanzielle Leistungsindikatoren an?
Das verwundert, wo doch die Wirtschaftsprüferkammer inzwischen über Mio. EUR 20 an liquiden Mitteln angehäuft hat! Unsere Beiträge!
Welche Überraschung: Auch ein einziger finanzieller Leistungsindikator kann nach WPK-Vorstand genügen.
Kommen wir zur Prognose und ihre voraussichtliche Entwicklung?
DRS 20.130 erlaubt:
- Punktprognosen, z.B.:
Wir erwarten Umsatzerlöse in Höhe von TEUR 57.000.
- Intervallprognosen, z.B.:
Wir erwarten Umsatzerlöse zwischen TEUR 55.000 und TEUR 60.000.
- qualifiziert-komparative Prognosen (Richtung + Intensität), z.B.:
Wir erwarten deutlich sinkende Umsatzerlöse.
- ausnahmsweise komparative Prognosen (nur Richtung), wenn aufgrund außergewöhnlich hoher Unsicherheit die Prognosefähig
keit des Unternehmens wesentlich beeinträchtigt ist (DRS 20.133), z.B.:
Wir erwarten sinkende Umsatzerlöse.
Wie steht es um die Prognosegenauigkeit des WPK-Vorstands?
Dazu der WPK-Lagebericht 20232:
3. Prognose-, Chancen- und Risikobericht
3.1 Prognose
Der Beirat hat in seiner Sitzung am 1. Dezember 2023 den vom Vorstand aufgestellten und vom BMWK mit Schreiben vom 15. November 2023 genehmigten Wirtschaftsplan 2024 festgestellt. Dieser geht für das Wirtschaftsjahr 2024 von einem Jahresfehlbetrag von -375.000,00 EUR aus.
Der bedeutsamste Leistungsindikator „Jahresergebnis“ der WPK entwickelt sich dabei wie folgt:
Vorjahr 2022
Prognose: -925.000,00
Ist: -2.020.564,85
Abweichung: -1.095.564,85
aktuelles Jahr 2023
Prognose: -530.000,00
Ist: 1.129.634,19
Abweichung: 1.659,634,19
Folgejahr 2024
Prognose: -375.000,00″
2 Wirtschaftsprüferkammer, Jahresabschluss zum 31. Dezember 2023 und Lagebericht für das Wirtschaftsjahr 2023 der WPK vom 20.3.2024, 9.
Die Wirtschaftsprüferkammer
Mehr als ¾ der Umsatzerlöse stammen aus Mitgliedsbeiträgen.
Trotzdem verschätzt sich der WPK-Vorstand wiederholt um ein Mehrfaches der eigenen Prognose!
Wie kann das sein?
Wenn auch Sie also demnächst einen Brief der Wirtschaftsprüferkammer mit Beanstandungen zu finanziellen Leistungsindikatoren und Prognosegenauigkeit bekommen:
Verweisen Sie auf das Unvermögen oder den mangelnden Willen des WPK-Vorstands, diese Aspekte im eigenen Lagebericht korrekt darzustellen!
Es grüßt Sie
Ihr Mark Schüttler
und das Team von wp.net
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