In Brüssel hat sich einiges getan. Auch hier ist man zurückgerudert. Das Zurückrudern ist mittlerweile unter Politikern üblich geworden. Wird die eigene Macht so überschätzt, die Möglichkeiten der anderen so unterschätzt, dass ein über das Ziel hinausschießen die unweigerliche Folge ist? Ob bei Steuern, Zöllen oder wie in Brüssel der CSRD alles erinnert an ein Zitat von Konrad Adenauer:
„Was stört mich mein dummes Geschwätz von gestern.“
Unser WPK-Beiratsmitglied Dr. Richard Wittsiepe stellt uns im Folgenden den Rückzug und den Rückzug vom Rückzug dar. Letzteres kann uns Prüfer freuen. Durch das moderate Anheben der Arbeitnehmerzahl auf 250 werden nur die „kleinen“ großen Unternehmen von der Aufstellung und Prüfung eines Nachhaltigkeitsberichts befreit. Im Januar 2025 sollte die Grenze noch auf 1.000 Arbeitnehmer angehoben werden.
Davon hat man nun Abstand genommen. Die ursprüngliche Regelung verpflichtete sogar alle großen Gesellschaften, unabhängig von der Arbeitnehmeranzahl.
Die weit überwiegende Anzahl der großen Unternehmen wird aufstellen und durch uns prüfen lassen müssen. Mit der Ausweitung ist auch wieder die Frage nach der Zulassung anderer Prüfer im nationalen Recht offen.
Die Schwerpunktbildung bei quantitativen Angaben drängt auch dazu. Der Nachhaltigkeitsbericht ist keine reine Börsenangelegenheit mehr und nicht mehr alleiniges Problem der Börsenprüfer.
Im Gegenzug wurde beschlossen, den Umfang der Berichterstattung deutlich zu reduzieren. Die Einzelheiten stehen noch nicht fest, sondern sollen noch in diesem Jahr festgelegt und bekannt gemacht werden. Wir werden darüber berichten, ob es wieder einen Rückzieher von der vollmundigen Ankündigung einer Reduktion der Datenpunkte um ein Drittel geben wird.
Folgen Sie nun den Ausführungen von Dr. Richard Wittsiepe zu den unlängst erfolgten Beschlüssen der Europäischen Union in Sachen Nachhaltigkeitsberichtsprüfung.
Mit kollegialen Grüßen
Ihr Roland Haeck, WP/StB
WPK-Beiratsmitglied
und das Team von wp.net

A. Aktueller Stand der Änderungen der CSRD und ESRS
Am 3. April 2025 hat das EU-Parlament in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass es mit großer Mehrheit (531 Ja-Stimmen, 69 Nein-Stimmen, 17 Enthaltungen) beschlossen hat, die Schwelle für die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich zu senken:
Große Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmer sollen nun erstmals für das Berichtsjahr 2027 einen Nachhaltigkeitsbericht zur Prüfung vorlegen.
Damit wurde die ursprünglich vorgesehene Grenze von 1.000 Arbeitnehmern im Rahmen der Verhandlungen deutlich reduziert. Zudem wurde die Umsetzungsfrist der CSRD-Richtlinie in nationales Recht auf den 26. Juli 2027 verschoben.
Die weitere Zeitplanung der EU-Kommission sieht vor:
- Bis Juli 2025 soll eine überarbeitete Fassung der CSRD-Richtlinie veröffentlicht werden.
- Die überarbeiteten ESRS-Standards sollen bis spätestens Oktober 2025 vorliegen.
Wesentliche Änderungen bei den ESRS-Standards:
- Reduzierung der Datenpunkte um 25–35 %, insbesondere bei weniger wesentlichen Informationen.
- Vorrang für quantitative Angaben gegenüber rein erläuternden Texten.
- Klarere Unterscheidung zwischen verpflichtenden und freiwilligen Angaben.
- Beibehaltung der doppelten Wesentlichkeit (Impact & Financial Materiality).
- Keine Entwicklung von sektorenspezifischen Standards.
- Weiterhin Prüfung mit begrenzter Sicherheit – eine Ausweitung auf „hinreichende Sicherheit“ ist nicht mehr vorgesehen.
Unklar bleibt bislang, ob die Schwelle von 250 Arbeitnehmer in jedem Fall greift oder ob alternativ – wie bisher – Umsatz und Bilanzsumme zur Einordnung eines Unternehmens als „groß“ berücksichtigt werden. Die endgültige Fassung der überarbeiteten Richtlinie bleibt abzuwarten.B. Nachhaltigkeitsberichtsprüfung 2024:
Erste Einblicke bei DAX-Unternehmen
Für DAX-Unternehmen ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung kein Neuland:
Viele berichten seit Jahren auf Basis der GRI-Standards. Einzelne Unternehmen, etwa Siemens und Siemens Healthineers, haben diese Tradition auch 2024 fortgeführt.
Die Mehrheit der Berichte orientiert sich jedoch bereits an den ESRS-Standards – entweder vollständig oder zumindest in Anlehnung daran.
Umfang der Berichte: Zwischen Notwendigkeit und Überfrachtung.
Auffällig ist der teils enorme Umfang der Berichte: 200 bis 300 Seiten sind keine Seltenheit. Dabei wäre eine derartige Detailtiefe nicht zwingend erforderlich – denn es darf vorausgesetzt werden, dass die Adressaten der Berichte die Grundlagen der Berichterstattung kennen und bereit sind, sich mit ihnen zu befassen.
Oftmals würden Verweise auf gesetzliche Vorschriften ausreichen, anstatt diese umfassend zu erläutern.
Ein positives Beispiel liefert der Nachhaltigkeitsbericht von Novo Nordisk, der mit ca. 50 Seiten auskommt – bei gleichzeitig klarer Struktur und inhaltlicher Dichte.
C. Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte:
Uneinheitliche Praxis
Die freiwillige Prüfung erfolgt meist auf Basis des internationalen Standards ISAE 3000 (International Standard on Assurance Engagements), der seit 2013 gilt. Dieser Standard enthält jedoch keine spezifischen Vorgaben zur Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen, im Gegensatz zum neueren ISSA 5000, der dafür konzipiert wurde. ISAE 3000 erlaubt sowohl kurze (short-form) als auch ausführliche (long-form) Prüfvermerke. In allen Fällen wurde jedoch ein long-form Prüfvermerk gewählt.
Unterschiedliche Sicherheitsniveaus bei der Prüfung
- In einem Fall wurde der Bericht mit hinreichender Sicherheit geprüft.
- In 25 Fällen mit begrenzter Sicherheit.
- In 11 Fällen wurden kombinierte Prüfvermerke erteilt (d.h. sowohl mit begrenzter als mit auch hinreichender Sicherheit). Besonders auffällig ist der Fall Infineon, bei dem sogar zwei getrennte Prüfvermerke veröffentlicht wurden.
Zulässigkeit kombinierter Prüfvermerke weiter fraglich!
Diese kombinierte Prüfungsform ist problematisch, da ISAE 3000 (Tz. 10a) eine einheitliche Aussage über den gesamten Bericht verlangt – entweder mit hinreichender oder mit begrenzter Sicherheit, nicht beides.
Ein Nachhaltigkeitsbericht ist als einheitliches Prüfobjekt zu behandeln, sodass kombinierte Vermerke streng genommen nicht den Anforderungen des Standards entsprechen.
Die Aufteilung in unterschiedlich geprüfte Teilbereiche erschwert
- außerdem die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen erheblich und
- für die Adressaten die Interpretation der Aussagen.
D. Rolle des IDW und des ISSA 5000
Offenbar orientierten sich viele Prüfungsgesellschaften an einem Muster-Prüfvermerk des IDW, der eine kombinierte Prüfung auf Basis von ISAE 3000 vorsieht. Wie es zu diesem Vorschlag kam, bleibt unklar – zumal auch der ISSA 5000 deutlich zwischen den beiden Sicherheitsniveaus unterscheidet und kombinierte Prüfvermerke explizit ausschließt.
„Nach meiner Überzeugung wurden bei DAX-Unternehmen aktuell 11 unzulässige Prüfvermerke erteilt.“
E. Ausblick
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Inhalte und Prüfpraktiken der Nachhaltigkeitsberichte in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Derzeit führt die Masse an Nachhaltigkeitsinformationen eher zu einem Ungleichgewicht im Vergleich zum Finanzbericht, ohne automatisch einen größeren Erkenntnisgewinn zu schaffen.
Die Frage der Relevanz und Verständlichkeit wird daher weiter im Fokus stehen – sowohl für Unternehmen als auch für Prüfer und Gesetzgeber.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Dr. Richard Wittsiepe, WP/StB
Mitglied im Beirat der WPK
und das wp-net-Team
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