wp.weekly | Abschlussdurchsichten oder Fehlerkultur?
Beitragsbild wp.net News, wp.weekly 21.02.2025: Titel - "Ist die digitale WPK Ausforschung der Abschlussdurchsicht ohne Anfangsverdacht rechtmäßig? Von Holger Friebel
Kategorie: Aktuelles
Datum: 21.02.2025

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Nach über einem Jahr wollen wir wieder die immer noch abwesende Fehlerkultur aufgreifen. Deswegen werden wir die Fehlerkultur wieder ins Gedächtnis der Abschlussprüfer und vor allem des WPK-Vorstands zurückholen. 

Gott-sei-gedankt: Unser wp-net-Vorstandssprecher Holger Friebel ist auch Rechtsanwalt. Er wird dieses Thema auch verfassungsrechtlich einordnen. Gibt es eine Rechtsgrundlage für diesen Eingriff? 

Herr Friebel schaut sich nicht nur die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit bei der Umsetzung der Abschlussdurchsicht an. Er geht auch der Frage nach, warum Abschlussprüfer – trotz gesetzlicher Qualitätskontrollen seit 2000 – immer noch mit Abschlussdurchsichten heimgesucht werden.  

Lesen Sie also die erhellenden Einblicke von Holger Friebel in die Umsetzung der überflüssigen Abschlussdurchsichten.

Es grüßt Sie

Ihr
Michael Gschrei
und das Team von wp-net

wp.weekly

 


 

Jedes Jahr lässt sich die WPK von Bundesanzeiger und Unternehmensregister alle neu offengelegten Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse in Dateiform übermitteln. Auf die Daten werden heuristische Methoden angewendet, um die prüfungspflichtigen Abschlüsse zu ermitteln.

Diese Grundgesamtheit wird anschließend einer eingehenden maschinellen Untersuchung unterzogen. Findet die Maschine Auffälligkeiten, wandert die Offenlegung in die Stichprobe. Jetzt wird per Hand weiter nach Fehlern gesucht. Werden Fehler gefunden, wird über den Abschlussprüfer geklärt, ob eine unrichtige Offenlegung durch das Unternehmen erfolgt ist oder ob der Fehler tatsächlich dem Prüfer anzulasten ist. Dazu wird der betroffene Kollege angeschrieben und um Stellungnahme gebeten.

 

„Ergibt sich der Anfangsverdacht auf eine Berufspflichtverletzung, wird der Fall an die Berufsaufsicht weitergegeben.“ So lautetet die Stellungnahme der WP-Kammer.

Wozu die WPK keine Stellung bezieht, ist die Frage, ob die lückenlose Untersuchung der offengelegten Abschlüsse nicht als Verfolgung Unschuldiger einzustufen ist, da die Überprüfung ohne Anfangsverdacht vorgenommen wird. Das Ziel der WPK mit der Abschlussdurchsicht ist also das berufsaufsichtliche Verfahren. Die Prüfungsqualität mit der Abschlussdurchsicht zu verbessern, scheint hier vorgeschoben zu sein.

 

Die Abschlussdurchsicht dient der WPK zur „Qualitätsverbesserung.“ Zumindest sollte seit 2016 die WPK-Führung doch wissen, 

  • dass der Gesetzgeber gerade erst die „neue Qualitätskontrolle“ zur Qualitätsverbesserung überarbeitet, 

           also 

  • die Kontrollkompetenz weg von der WP-Kammer und hin zur Qualitätskontrollkommission und APAS verlagert hat. 

Warum die WPK die Abschlussdurchsicht trotzdem weiter einsetzt, versuchte Präsident Andreas Dörschell, kurz nach der Beiratswahl 2022 wp-net gegenüber anhand von vier Gründen zu belegen. Im Fehlerkultur-Weekly vom 3. März 23 haben wir diese bekanntgemacht. Wir halten keinen Grund für stichhaltig. 

 

Wozu die WPK ebenfalls keine Stellung bezieht, ist die Frage, nach der Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen. 

Klar ist die Kammer für die laufende Überwachung der Abschlussprüfung zuständig. Aber dafür gibt es seit 2016, eigentlich schon seit 2000, die Qualitätskontrolle. Warum zieht die WPK die Abschlussdurchsicht also nicht aus dem Verkehr? 

Kann das die lückenlose Untersuchung rechtfertigen? Die Kammer und ihr Präsident Andreas Dörschell verkennen für uns das Gebot der Verhältnismäßigkeit:

  • Ist ein Jahresabschluss bereits falsch, weil ein paar Nichtigkeiten unzutreffend oder gar nicht dargestellt sind?
  • Ein wesentlicher Fehler liegt doch dann vor, wenn ein Nutzer des Jahresabschlusses bei Kenntnis der richtigen Fakten eine andere Entscheidung getroffen hätte. 

Das Fehlen von Davon-Vermerken, kann hier wohl nicht dazugehören. Aber gerade solche „Fehler“ werden von der Kammer aufgegriffen. Das liegt womöglich daran, dass eine Maschine prüft, der trotz KI die Fähigkeit zur Gewinnung eines Gesamteindrucks fehlt. Es wird noch ein wenig dauern, bis die Softwareentwickler die Prozesse, die während einer Assoziation ablaufen, nachgestrickt haben. 

 

Gerne wird auch der Bestätigungsvermerk untersucht. Das Gesetz wurde 1998 geändert, das Formeltestat abgeschafft. Trotzdem wird die Wortwahl des BV von der Maschine untersucht, ob auch jeder Prüfer das IdW-Testat richtig „abgeschrieben“ hat. Die größten Abweichungen haben die Testate, die auf der Grundlage der ISA (Nicht: ISA (DE)!) geprüft wurden. Hier gibt es nur wenige Vorlagen. Die Existenz des Lageberichts verhindert die unangepasste Übernahme der Formulierungsvorschläge der ISA. Und hier wird jeder ein wenig anders formulieren, da es noch keine Vorlage gibt.

 

Auch die Funde aufgrund der Abschlussdurchsicht, von Kollegen gerne als Rasterfahndung bezeichnet, sind nicht generell als Fehler strafwürdig. Die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Und die ergibt sich nicht aus prüferischer Genauigkeit, sondern aus der wirtschaftlichen Bedeutung des geprüften Unternehmens.

Gegenwärtig spielt die wirtschaftliche Bedeutung des geprüften Unternehmens keine Rolle bei der Einstufung der Prüfungsqualität. Da es keine Gebührenordnung gibt und ein wirtschaftlich unbedeutendes Unternehmen regelmäßig keine Höchstpreise für die Prüfung bezahlen kann, kann nur mit der für die Bedeutung dieses Unternehmen angepasster Genauigkeit geprüft werden. Im Mittelstand sind der Zugang und Abgang von Unternehmen an der Tagesordnung. Keines ist systemrelevant. Im Bereich kapitalmarktorientierter Unternehmen ist das sicher anders. Deswegen stellen wir uns nicht erst seit gestern die Frage:

 

Die Abschlussdurchsicht ist für uns dadurch gekennzeichnet, dass Kolleginnen und Kollegen mit gesetzlichen Abschlussprüfungen dem Anfangsverdacht der fehlerbehafteten Prüfung ausgesetzt werden. Für mich als Juristen ist fraglich, was das für ein Grund sein kann, der es rechtfertigt, alle Veröffentlichungen zu untersuchen.

Die Feststellung der Prüfungsqualität kann es nicht sein, dafür gibt es die Qualitätskontrolle. Es kann nur die Qualität der Offenlegung selbst untersucht werden. Die Überprüfung, aller Veröffentlichungen als Kammeraufgabe zu definieren, halte ich für ebenfalls nicht rechtfertigend. Denn die Veröffentlichung ist Angelegenheit der Unternehmen, nicht der Abschlussprüfer.

 

Die Vorgehensweise bei der BANZ-Durchsicht der Abschlüsse ist nicht transparent dokumentiert. So erfährt man in den jährlichen Berichten über die Berufsaufsicht nichts zum Auswahlverfahren, obwohl es einen eigenen Berichtsteil zur Abschlussdurchsicht gibt. 

Man kann sich als Leser der Umsetzung der jährlichen Abschlussdurchsichten als Prüfer des Eindrucks nicht erwehren, dass die „Rasterfahndung“ eher eine gemeine Prüfer-Verfolgungseinrichtung der WPK ist. 

Auf ihrer Website beschreibt die WPK ihre Vorgehensweise bei der Abschlussdurchsicht inhaltsleer wie folgt: „Die WPK sichtet veröffentlichte und von ihren Mitgliedern geprüfte Unternehmensabschlüsse sowie die hierzu erteilten Bestätigungsvermerke und klärt gegebenenfalls auftretende Fragen mit den Abschlussprüfern.“ Das Auswahlverfahren wird nicht erläutert. 

Die WPK-Darstellung ist leider nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Weiter hinten im Text wagt sich die WPK mit der Drohung aus der Deckung: „Ein Verdacht einer Pflichtverletzung kann zur Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens führen.“ Dies nennt man dann Berufsaufsichtsverfahren. Die Abschlussdurchsicht kann für uns nur der Vorwand sein, um Berufsaufsichtsverfahren einzuleiten. Dies alles mit dem Geld der WPK-Mitglieder. 

Am Ende wird das Berufsaufsichtsverfahren nicht selten mit einer Belehrung eingestellt. Wo ist also der Sinn für den teuren BANZ-Ausforschungsauftrag?

Wir erkennen an der WPK-Ablehnung der Fehlerkultur: Die Wirtschaftsprüferkammer fürchtet die Fehlerkultur, wie der „Teufel das Weihwasser“. Die Fehlerkultur setzt auf Transparenz, Lernfähigkeit und Prävention, anstatt ausschließlich auf Sanktion und Bestrafung. In vielen Bereichen – von Luftfahrt über Medizin bis hin zu modernen Unternehmen – hat sich bewiesen: Wer offen – aber anonym – mit Fehlern umgeht, reduziert zukünftige Risiken erheblich. 

Warum eine positive Fehlerkultur auch für die Abschlussprüfung so wichtig ist, haben wir schon 2023 in zwei wp-weeklys ausführlich beschrieben: Hier die Links dazu: 

 

Ohne eine positive Fehlerkultur bleibt die Abschlussprüfung in der Schleife immer wiederkehrender Fehler gefangen. Denn mit der WPK-Fehlerbeschreibung: „Fachliche Fehler bei gesetzlichen Abschlussprüfungen“ kann kein Abschlussprüfer künftig Fehler verhindern. Aus Fehlern lernen ist anscheinend verboten, weil keine anonyme Fehlerbekanntgabe erfolgt.

Machen Sie also mit und unterstützen Sie uns, dass wir nach der nächsten Beiratswahl die Fehlerkultur in Angriff nehmen können.

 

Ihr
Holger Friebel
und das wp-net-Team


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Bildnachweis: Stockvektorgrafik: Gorodenkoff/Shutterstock

 

Holger Friebel
Author: Holger Friebel

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