Grundsatzprüfung: Not documented – not done?
Beitragsbild zum wp.weekly vom 11.04..25 "Hinterfragung des Grundsatzes der WP-Kommission für Qualitätskontrolle - WPK „Not documented, not done?“ Von Mark Schüttler.
Kategorie: Aktuelles
Datum: 11.04.2025

Wir alle kennen ihn. Den Satz, der in der Prüfungsluft liegt wie der Kaffeeduft am Morgen:

Alter unbekannt, aber nicht aus der Mode gekommen. Die Berufsaufsicht, die Kommission für Qualitätskontrolle oder so auch mancher Prüfer für Qualitätskontrolle tragen diesen Grundsatz wie eine Monstranz vor sich her.

„Not documented, not done.“

Ich freue mich, dass Mark Schüttler nicht darüber gestolpert ist, sondern wie ein Superprüfer der Sache nach und damit auf den Grund gegangen ist. Neugierig geworden, hat sich Mark Schüttler auf Spurensuche begeben: durch die ISA [DE], durch die Urteile der Gerichte – und ja, auch durch die Hinweise der Kammer.

Was Mark Schüttler gefunden hat, war aufschlussreich. Nur so viel sei verraten: Manches, was manche für in Stein gemeißelt halten, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als … sagen wir mal: Tonware.

Ich lade Sie herzlich ein, auf dieser kleinen Entdeckungsreise Mark Schüttler zu begleiten. Sie beginnt mit einem scheinbar harmlosen Grundsatz – und endet mit einer Antwort auf die Frage: Geht Dokumentieren wirklich über alles?

Mit kollegialen Grüßen
Ihr Patrick Wengert, WP StB
und das Team von wp.net

wp.weekly

 


 

Ein oft zitierter Grundsatz in der Abschlussprüfung lautet: „Not documented, not done.“ Klingt modern,

ist Englisch – und meint auf gut Deutsch:

„Was in den Arbeitspapieren nicht dokumentiert ist, gilt als nicht geprüft.“

Damit unterstellt die Aufsicht (z.B. WPK/KfQK) den Prüfern: Was Du nicht niedergeschrieben hast, das hast Du auch nicht geprüft.


 

Eine spontane Umfrage im Kollegenkreis ergab: Alle kannten den Grundsatz, doch keiner wusste, wo er steht.

Also: Muss der Prüfer tatsächlich eine lückenhafte Prüfungsdokumentation als Indiz für eine mangelhafte Prüfung gegen sich gelten lassen? Oder handelt es sich um vorauseilenden Gehorsam – aus Angst vor der Berufsaufsicht, vor der Qualitätskontrolle?

Von der Neugier gepackt, begann ich zu suchen:


 

Ein Blick in den einschlägigen Prüfungsstandard ISA (DE) 230 liefert eine erste Antwort. Dort heißt es:

„Der Abschlussprüfer hat die Prüfungsdokumentation so abzufassen, dass ein erfahrener, zuvor nicht mit der Prüfung befasster Prüfer in der Lage ist, Art, zeitliche Einteilung und Umfang der Prüfungshandlungen sowie die daraus resultierenden Feststellungen und daraus gezogenen Schlussfolgerungen nachzuvollziehen.“ (ISA (DE) 230, Textziffer 8.)

Aber: Kein Wort davon, dass eine nicht dokumentierte Handlung als „nicht durchgeführt“ gilt. Auch in anderen relevanten Standards: Fehlanzeige.

Stattdessen betont ISA (DE) 230 an mehreren Stellen:

  • „Ein Verständnis für bestimmte Aspekte der Prüfung kann auch durch eine Erörterung mit dem Prüfer gewonnen werden.“ (ISA (DE) 230, Anwendungshinweis A5).
    Feststellung: Die Dokumentation steht also nicht zwingend allein für sich.
  • „Der Umfang der Prüfungsdokumentation hängt ab von Größe und Komplexität des Unternehmens, Art der Prüfungshandlungen sowie den Risiken wesentlicher falscher Darstellungen.“ (ISA (DE) 230, Anwendungshinweis A2.)
    → Feststellung: Der Dokumentationsumfang ist skalierbar.

  • „Die Prüfungsdokumentation bei kleineren Unternehmen darf weniger umfangreich sein.“ (ISA (DE) 230, Anwendungshinweis A16.)

Erkenntnis #1: Den „Grundsatz“ „not documented, not done“ ist keine Norm der ISA (DE).
Erkenntnis #2: Die Anforderungen an die Dokumentation sind situationsabhängig skalierbar.


 

Deutlicher wird es in der Rechtsprechung. Das OLG Düsseldorf äußerte sich 2021 wie folgt:

„Auch überzeugt es nicht, wenn der Kläger geltend macht, nicht aus den Arbeitspapieren dokumentierte Prüfungshandlungen seien als nicht geschehen zu werten. Die Dokumentation dient in erster Linie dem Abschlussprüfer, damit er seiner sekundären Darlegungslast genügen kann, wenn ihm eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird. Zudem wäre es verfehlt, nicht dokumentierte Prüfungshandlungen als ungeschehen zu werten. Denn hierdurch würde ein Fehler der Dokumentation der fehlerhaften Erfüllung des Auftrags gleichgesetzt.“ (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.06.2021, Az. 22 U 31/20.)

Erkenntnis #3: Das OLG verwirft den „Grundsatz“: Eine mangelhafte Dokumentation bedeutet nicht automatisch eine fehlerhafte Prüfung.


 

Die Wirtschaftsprüferkammer verweist in ihren Hinweisen zur Qualitätskontrolle darauf, dass das bloße Ankreuzen von „ja“, „nein“ oder das Setzen von Häkchen ohne erläuternde Angaben regelmäßig nicht ausreicht (WPK, Hinweise der KfQK zur Durchführung und Dokumentation einer Qualitätskontrolle, Stand: 2022, Abschnitt 4.3.1).

Diese Einschätzung mag qualitativ nachvollziehbar sein – rechtlich ist sie aber nicht bindend.

Und vermutlich würde die Kammer darauf hinweisen, dass das Urteil des OLG nicht höchstrichterlich ist – und ein anderes Gericht dies möglicherweise anders beurteilen könnte.

Erkenntnis #4: Dokumentieren ist wichtig – aber nicht identisch mit Prüfen. Sonst müsste umgekehrt gelten: Dokumentiert, bedeutet noch lange nicht: „Ich habe geprüft“. Diese Differenzierung scheint noch nicht überall angekommen zu sein.


 

Frei nach Goethe:

Des Prüfers Arbeit
Ist wie die Akte:

Vom Mandant kommt sie,
Zur Kammer steigt sie,
Und wieder nieder ins Archiv muss sie –
Ewig häkelnd.


 

Es grüßt Sie herzlich

Ihr
Mark Schüttler
und das wp-net-Team


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Bildnachweis: Stock-Illustration: hakusanto/Shutterstock

 

Mark Schüttler
Author: Mark Schüttler

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