wp-net hat seit März 2023 die Umsetzung der CSRD-Richtlinie, aus der Sicht des WP-Mittelstands, immer wieder thematisiert. Nun scheint es, dass unsere Argumente beginnen Früchte zu tragen …
Zu zwei Fragen liefert heute unser AK-Leiter Dr. Richard Wittsiepe Antworten nach.
- Mit welchem Blick schauen die Regierungsparteien auf die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte?
- Werfen sich die Big4-Professional Service Firms bei den PIE-Mandaten nicht selbst aus der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte?
Lassen wir Ihn also zu Wort kommen!
Umsetzung der CSRD-Richtlinie unter Einhaltung von EU-VO und § 319 HGB
von Dr. Richard Wittsiepe
Mitglied bei wp-net e.V.
Unsere Briefe und Mailings von März bis Mai 2023 an die relevanten Ministerien und Ausschüsse des Bundestags haben zu Reaktionen, wie Einladungen zum Gedankenaustausch, geführt. Aus den ersten Gesprächen nehmen wir die Überzeugung mit:
Auch die Politik steht unseren Argumenten zur Aufteilung der beiden Prüfungen (JAP und Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts (NB)) aufgeschlossen gegenüber. Und der Big4-Berufsstand ist nicht gleich IDW. Im Gedankenaustausch hat sich sogar ein Big4-Vertreter nicht gegen unseren Vorschlag (keine Vorbehaltsaufgabe der Prüfung der NB) ausgesprochen.
Eine Berichterstatterin aus der Regierungsfraktion hat sich für den Vorschlag von Prof. Behringer erwärmt. Die Politik kann sich die Prüfung durch unabhängige Bestätigungsdienstleister (z.B. TÜV) durchaus vorstellen. Der WP-Mittelstand kann mit dieser Erkenntnis also wieder Hoffnung schöpfen: Die Nachhaltigkeitsprüfung als WP-Vorbehaltsaufgabe ist noch nicht in trockenen Tüchern, ganz im Gegenteil.
wp-net steht mit seinen Forderungen nicht isoliert in der Diskussion
Die CSRD-Richtlinie ist eine Änderungsrichtlinie, die zahlreiche bereits bestehenden Richtlinien, Gesetze und Verordnungen um die Nachhaltigkeitsberichterstattung und deren Prüfung ergänzt und inhaltlich verändert. Derzeit steht in den Bundestags-Ausschüssen die Klärung der Frage im Vordergrund, ob die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts eine Vorbehaltsaufgabe der Wirtschaftsprüfer sein sollte. Bekanntlich haben sich WPK und IDW verbindlich dafür ausgesprochen, dass nur der gewählte Jahresabschlussprüfer den Nachhaltigkeitsbericht prüfen soll. Lösungen für den gesamten Berufsstand können sich beide Lobbyisten wohl nicht mehr vorstellen. Dagegen unterstützt wp-net all jene, die die Prüfungsberechtigung auf unabhängige Dienstleister für Bestätigungsleistungen ausweiten wollen, u.a. auch die EU-Kommission. Unsere Argumente erhalten Sie in der Literatur und unseren Stellungnahmen.
Haben die Protagonisten der Vorbehaltsprüfung die Auswirkungen der CSRD auf die EU-VO bedacht?
Unserer Meinung nach würdigten die bisherigen IDW/WPK-Stellungnahmen die Auswirkungen der CSRD-RL auf die PIE-Prüfungen nicht umfassend. Denn nach unserer Analyse nimmt die CSRD-RL sehr wohl Einfluss auf die Abschlussprüfung im PIE-Bereich. Dazu muss man nur die EU-VO 537/2014 heranziehen, die gilt weiter. Wegen der CSRD-RL wird es Änderungs- zumindest aber Klarstellungsnormen geben. Greifen wir aus der EU-VO die verbotenen Nichtprüfungsleistungen heraus.
Der Katalog der verbotenen Nichtprüfungsleistungen wird durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung erweitert. In Art. 5 wird Buchstabe c) wie folgt ergänzt: „Buchhaltung und Erstellung von Unterlagen der Rechnungslegung und von Abschlüssen sowie Erstellung von Nachhaltigkeitsberichterstattung“.
Im Entwurf der CSRD-Richtlinie lautete die Fassung der Verbotsklausel wie folgt:
- Der Abschlussprüfer bzw. das Netzwerk darf weder direkt noch indirekt Beratungsdienstleistungen für die Erstellung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erbringen, wenn der Abschlussprüfer oder die Prüfungsgesellschaft die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durchführt (Tz.22 Buchstabe a; Buchstabe l)“.
- Dieses Tätigkeitsverbot gilt für das Geschäftsjahr der Abschlussprüfung sowie für das vorangegangene Geschäftsjahr (Tz. 22 Buchstabe a, Ziffer 1 Buchstabe a und b).
Auch wenn in der CSRD-Vorschrift in der endgültigen Fassung in Bezug auf die Erstellungsberatung einiges gestrichen wurde, muss der deutsche Gesetzgeber die Frage klären, wie stark eine Beratung im Rahmen der Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers beeinflussen „darf“. Hier muss der HGB-Gesetzgeber für Klarheit sorgen. Die im HGB klar beschriebenen und auch überprüfbaren Beratungsleistungen sind entscheidend. Es darf keine Auslegungswahlrechte geben, will man nicht das Vertrauen in den Nachhaltigkeitsbericht brechen und das Prüferansehen verspielen. Der Entwurf der CSRD-Richtlinie liefert deutliche Hinweise, wie eng die Grenzen zu ziehen sind, und ob z.B. sämtliche Beratungsleistungen, auch die der Vorjahre, in die Verbotsbetrachtung einzubeziehen sind. Hier müssen die Unterstützer der 2-Prüfer-Lösungen in der Gesetzgebungsphase sehr wachsam bleiben.
Die Werbung der großen WP-Gesellschaften für ihre Fachkompetenz im Bereich Nachhaltigkeit ist enorm. Für eine Professional Service Firm wird es wohl selbstverständlich sein, eigenen Prüfungsmandaten ihre Beratungskompetenz anzutragen. Das Vorgehen fördert jedoch die Erosion der Berufspflichten (siehe Dr. Behringer). Dieser schleichenden Erosion der Unabhängigkeit und kritischen Grundhaltung wird der deutsche Gesetzgeber einen wirksamen Riegel vorschieben müssen.
IDW/WPK-Vorbehaltsprüfung birgt große Risiken bei Beratungsleistungen
Die von IDW/WPK geforderte Vorbehaltsprüfung des Nachhaltigkeitsberichts durch den Jahresabschlussprüfer in Verbindung mit den kontinuierlichen Beratungsleistungen bei Aufstellung des Nachhaltigkeitsberichts stellt für uns auch die Einhaltung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers gem. EU-VO 537/2014 in Frage.
Falls der Abschlussprüfer die Beratungsgrenzen bei der Aufstellung des Nachhaltigkeitsberichts überschreitet, dann verliert er auch das Prüfungsmandat für den Jahresabschluss. Das Unternehmen muss auch bedenken, dass der Umfang der Beratungsleistungen erst am Ende der Aufstellung feststehen wird. Zu diesem Zeitpunkt ist der Abschlussprüfer aber schon längst gewählt.
Wir haben starke Zweifel, ob dieses Risiko in den IDW/WPK-Forderungen bislang bedacht oder erkannt wurde. In deren Stellungnahmen haben wir nichts dazu gelesen. Gerade im Bereich der PIE-Prüfungen könnten überschießende Beratungserlöse dazu führen, dass sich zahlreiche Unternehmen einen neuen Prüfer suchen müssen. Wird das inhärente Risiko erst nach dem Auswahlverfahren oder – noch schlimmer – nach der Bestellung bemerkt (siehe oben), kommt es zum Supergau für die Prüfer, die Unternehmen und den WP-Berufsstand. Denn damit würde auch das Prüfungsurteil in den Schmutz gezogen werden. Der gesamte WP-Berufsstand wäre wieder einmal blamiert.
Unsere Schlussfolgerung: Bei unklaren Beratungsgrenzen den Prüferausschluss nicht provozieren
Im Gegensatz zum Entwurf der CSRD-Richtlinie hat die aktuelle Version diese Grenze „nicht klar definiert“. Das Risiko steigt, wenn dem Prüfungsauftrag möglicherweise keine rechtmäßige Bestellung zugrunde liegt. Die betroffenen Unternehmen sollten deswegen genau wissen, welchen Umfang die Beratungsaufträge haben dürfen, bevor sie die Abschlussprüfer mit der Prüfung beauftragen. Diese Beratergrenzen-Frage ist auch deswegen zu klären, um Vorstände bzw. den Aufsichtsrat nicht dem Risiko auszusetzen, einen unzulässigen Prüfervorschlag der HV zu unterbreiten.
wp-net-Vorschlag mit zwei Prüfern löst die Probleme
Der wp-net-Vorschlag tangiert die Bestellung des Abschlussprüfers nicht. Trotz erbrachter umfangreicher Beratungsleistungen für den Nachhaltigkeitsbericht kann der Berater zum Abschlussprüfer (in den bestehenden Grenzen) bestellt werden. Denn die Vorbehaltsverbindung zwischen den Prüfungen existiert nicht. Der Nachhaltigkeitsbericht wird von einem anderen Prüfer geprüft, entweder von einem WP/vBP oder von einem unabhängigen Dienstleister für Bestätigungsleistungen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass der Vorschlag von wp-net aus o.g. Gründen der einzig praktikable Weg ist und zahlreiche Risiken vermeidet.
Dr. Richard Wittsiepe
Wirtschaftsprüfer in Duisburg
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Bildnachweis: d.ee_angelo/Shutterstock