Nachhaltigkeitsberichterstattung: Mittelständischen Prüfern droht das Aus!
Nachhaltigkeitsberichterstattung
Kategorie: Big4 | WP in den Medien | WPK
Datum: 28.04.2023

Der WPK-Vorstand will mit der geplanten EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung den freiberuflichen WP-Mittelstand vom Prüfermarkt ausschließen. Wann wird sich der WPK-Vorstand seiner Widersprüche bewusst?

Das Ziel der Verdrängung weiter im Visier

Nach unserem Verständnis haben WPK/Big4 die erste Hürde auf dem Weg zur Prüfer-Marktbereinigung mit der Einführung der Qualitätskontrolle 2000 inzwischen geschafft. Bis Ende 2022 hat sich das erste Drittel der Prüfer aus der Abschlussprüfung verabschiedet. Wir haben oft darüber berichtet, u.a. am 17.02.2023.

Auch die viel zitierte Äußerung von Prof. Winkeljohann am 30. Juni 2010 in der FAZ: „Winkeljohann ist daher davon überzeugt, dass sich der Wirtschaftsprüfermarkt mit vier Großanbietern stabilisieren wird. Kleine Prüfungsgesellschaften haben nur noch als Boutiquen in bestimmten Nischen eine Überlebenschance.“ bewahrheitet sich immer wieder.

Mit der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung soll – rund 20 Jahre später –  das totale Big4-Prüfermonopol vollendet werden. Der erste Schritt dazu wurde in Brüssel bereits vollzogen. Der EU-RL-Entwurf zur Umsetzung der CSRD sieht die Pflichtprüfung durch Wirtschaftsprüfer vor. Den zweiten Schritt – die Vorbehaltskonzentration auf die ganz großen Gesellschaften – bereitet nun der WPK-Vorstand vor.

Wie nicht anders zu erwarten, hat sich der WPK-Vorstand in seinem Eckpunktepapier für das Prüfermonopol starkgemacht: 

  • Es sollte weder einem anderen, als dem gewählten Abschlussprüfer, ermöglicht werden, das Urteil über die Nachhaltigkeitsberichterstattung abzugeben, noch sollte dies anderen „unabhängigen Erbringern von Bestätigungsleistungen“ ermöglicht werden. (siehe A.)
  • Allein der bestellte Abschlussprüfer soll auch das Urteil über die Nachhaltigkeitsberichterstattung abgeben. Nur wenn der Abschlussprüfer, der als solcher bestellt ist, auch das Urteil über die Nachhaltigkeitsberichterstattung abzugeben hat, ergeben sich die notwendigen Synergieeffekte … (siehe A.I.)

Der WPK-Vorstand verspricht dem noch prüfenden Rest-WP-Mittelstand u.a.:

  • Er sieht für die Praxen aller Größen die Chance, sich in die Nachhaltigkeitsprüfung vertiefter einzuarbeiten und ihr Know-how zu erweitern (neues Geschäftsmodell? Anm. M.G.),
  • Ein fachlich nicht voll geeigneter Prüfer könnte einen externen Spezialisten (analog z.B. zu einem Versicherungsmathematiker) hinzuziehen (Neu: Denn bislang wird dieser vom Mandanten beauftragt, Anm. M.G.)

Mit einer starken Stimme meldet sich der unabhängige WP-Mittelstand!

Wie sieht der mittelständische Berufsstand, die Wissenschaft oder die freie Presse die Ausrichtung des Big4-Oligopols zum Big4-Monopol? 

Ein mittelständischer Kollege aus Würzburg, WP/StB Jens Kruse, schrieb uns:

„Wie erwartet ist die, durch die großen WPGs „besetzte“ WPK, für eine ausschließliche Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts durch den bestellten Abschlussprüfer. Sollte der deutsche Gesetzgeber dies so umsetzen, wird dies zu einer schnellen Bereinigung bei den Prüfern von großen KapCos führen.“ 

Aus der Wissenschaft berichtet Professor Behringer und legt die Finger in die Wunde

Mit seiner in der WP Praxis 5.2023 geäußerten Meinung ist Prof. Stefan Behringer von der Hochschule Luzern lange im Zwiespalt. Er sieht zwar die prüferische Expertise, aber auch die Grenzen und Gefahren des Oligopols. Die zusätzliche Vorbehaltsaufgabe stärkt das Oligopol. Dem Mandanten hilft nur ein vom Wettbewerb geprägter Prüfermarkt. Dazu braucht es aber den zweigeteilten Prüfermarkt für die Abschlussprüfung und für die Nachhaltigkeitsberichtsprüfung.

Den Nachhaltigkeitsbericht unterscheiden zwei fundamentale Sachverhalte vom Soll-Ist-Vergleich im finanziellen Abschlussbericht. Dieser hat verschiedene Dimensionen: Nicht alle Angaben im Nachhaltigkeitsbericht sind mit Zahlen und anderen harten Fakten zu belegen, sondern haben eher qualitative Merkmale.

Vorteile bei der Übertragung als Vorbehaltsaufgabe an die WPs liegen für Prof. Behringer zwar auf der Hand. Trotzdem entscheidet er sich am Ende aus gewichtigen Gründen dafür, die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung auch anderen Berufsgruppen mit zu überlassen: „Aus guten Prüfern im finanziellen Rechnungswesen folgt noch lange nicht, dass diese Prüfer in den Natur- und Sozialwissenschaften ebenfalls Kompetenz haben bzw. aufbauen werden.“ Damit tendiert der Vorteil der Big4-Prüfungserfahrung gegen null.

Prof. Behringer spricht sich am Ende für eine weise Lösung aus: Den Abschlussprüfern soll keine weitere Vorbehaltsaufgabe übertragen werden. Gleichzeitig sollen andere Prüfer ermuntert werden, Prüfungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit anzubieten. Da die ganzen Argumente keine eindeutige Präferenz liefern, sollte es der Gesetzgeber dem Markt überlassen, die beste Lösung hervorzubringen. „Konkurrenz kann die Qualität der prüferischen Dienstleistung deutlich verbessern, was sicherlich im Sinne der Adressaten der Nachhaltigkeitsberichte ist“.

Stimme aus der freien Presse 

Für den österreichischen Journalisten Peter Wundsam ist das vierer, bzw. dreier Oligopol der Großen sehr bedenklich. In der Wiener Zeitung schreibt er, dass „die ab 2025 verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung das Oligopol für die mittelständischen Unternehmen weiter einzementieren könnte. Der Gesetzgeber hat es in der Hand, den Markt durch Begleitmaßnahmen zu öffnen. Tut der Gesetzgeber dies nicht, serviert er dem Oligopol zusätzlich 2.000 neue Kundinnen und Kunden auf dem Silbertablett.“ 

Wie steht wp.net zur Reform?

Zuletzt hat wp.net Anfang März 2023 eine Stellungnahme beim Gesetzgeber eingereicht. Wir setzen uns selbstverständlich sowohl für die Zweigleisigkeit der Nachhaltigkeitsprüfung als auch für die Akkreditierung unabhängiger Erbringer von Bestätigungsleistungen ein. 

Dazu müsste jedoch der Nachhaltigkeitsbericht vom Lagebericht getrennt werden. Beide Berichte harmonieren nicht. Nur weil es im Lagebericht auch einige nichtfinanzielle Leistungsindikatoren zu prüfen gibt, eignet sich der Lagebericht noch lange nicht als „Parkplatz“ für den Nachhaltigkeitsbericht. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung geht weit über die Lageberichtanforderungen hinaus. Zudem gibt es zwei Qualitätsstufen bei den Prüfungsvermerken. Der Lagebericht erfordert die hinreichende Sicherheit, der Nachhaltigkeitsbericht gibt sich vorerst mit begrenzter Sicherheit zufrieden.

wp.net sieht die Gefahr, dass mit der Überbewertung der fachlichen Kompetenz bei den großen Prüfern nur von der bestehenden Interessenkollision in den Professional-Service-Firmen abgelenkt wird. Wie wir aus 10 Jahren EY-Wirecardprüfung umfangreich gelernt haben, sind die wichtigen Berufspflichten, wie die kritische Grundhaltung oder die Unparteilichkeit bei der Berichterstattung, bei den Big4 wohl eher böhmische Dörfer. 

Was haben unsere Vertreter im WPK-Vorstand für Mittelstand und kleine Praxen getan?

Was treibt den WPK-Vorstand dazu, diesen Big4-Monopol-Gesetzesvorschlag zu unterstützen? Ist die Kammer nicht für alle Wirtschaftsprüfer da? Konkret gefragt: Wo waren die Stimmen von jenen 5 WPK-Vorstandsmitgliedern aus kleinen Praxen, die Präsident Dörschell als die Vertreter des kleineren Mittelstands ausgerufen hat: Die Mitglieder des WPK-Vorstands „bilden die gesamte Breite und Vielfalt unseres Berufsstands ab.“  Wie bringen es Evi Lang, Katrin Fischer, Barbara Hoffmann, Petra Lorey sowie der DBV-Vertreter Peter Tann im WPK-Vorstand mit Ihrem Gewissen in Einklang, diesen WPK-Big4-Vorschlag zum Verschwinden des Mittelstands und der Einzelpraxen beizutragen? Früher nannte man dieses Verhalten „Täuschung“.

Sagen wir nicht Gute Nacht, freiberuflicher Mittelstand. 

Kämpfen wir weiter gemeinsam für den Erhalt der freiberuflichen Wirtschaftsprüfung!

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Bildnachweis: d.ee_angelo/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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