Taktische Big4-Rücktritte nach Beiratswahl 2022?
Beitragsbild Big4 WP-Gesellschaften nutzen undemokratische, taktische Rücktritte zum Machterhalt von Mark Schüttler, Einführung von Michael Gschrei
Kategorie: Aktuelles
Datum: 22.05.2025

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Die nächsten WPK-Beiratswahlen werfen ihre Schatten voraus. Doch bevor wir nach vorn blicken, lohnt sich ein Blick zurück.

Im Jahr 2010 wurde der WPK nach hartnäckigem Einsatz von wp.net die Briefwahl mit Personenwahl durch den damaligen Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ermöglicht. Der Kampf um die Briefwahl war damit gewonnen – doch, wie wir heute wissen: Die Demokratie war damit noch längst nicht gesichert.

Die WPK-Spitze setzte damals auf die Personenwahl, wp.net forderte die Listenwahl. Das Ergebnis: Bei der Wahl 2011 gingen 100 % der WP-Sitze an wp.net und 100 % der vBP-Sitze an die DBV. Der weitere Verlauf ist bekannt – und war politisch aufschlussreich.

Heute, 15 Jahre später, schaut das Beiratsmitglied WP primus Mark Schüttler der Demokratie erneut tief in die Augen. Denn: Die Wahl in den Beirat ist zwar geheim – aber sie ist nicht endgültig. Bei zwei Big4-Listen zeigte sich, dass selbst gewählte Kandidat:innen ihres Sitzes nicht sicher sein können.

Damit übergebe ich an Mark Schüttler und seine Analyse zum taktischen Rücktritt – einer „Demokratie à la WPK“.

Ich lege Ihnen diese Lektüre zur Vorbereitung auf die anstehenden Beiratswahlen Juni 2026 wärmstens ans Herz.

Herzliche Grüße
Ihr Michael Gschrei, WP/StB/PfQK
und das Team von wp-net

wp.weekly

 


 

 

Im Rahmen der Beiratswahlen 2022 innerhalb der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) kam es nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse zu mehreren Rücktritten gewählter Beiratsmitglieder. Diese Rücktritte führten dazu, dass Nachrücker in den Beirat gelangten, die anschließend in den Vorstand gewählt wurden.

Zwei Big4-Gesellschaften stehen im Fokus:

  • KPMG-Liste (Klaus Becker): Nach dem Rücktritt einer gewählten Beirätin rückte Dr. Christoph Hasenburg nach und wurde in den Vorstand der WPK gewählt.
  • EY-Liste (Christian Janze): Hier kam es zu vier Rücktritten von ursprünglich gewählten Beiratsmitgliedern, sodass Listenführer Janze selbst nachrücken konnte – ebenfalls mit dem Ziel, im Vorstand der WPK mitzuwirken.

Die Nachrückregelungen sind satzungsgemäß vorgesehen und formal korrekt. Fraglich ist jedoch, ob sie im vorliegenden Kontext rein aus individuellen Gründen oder im Rahmen parteiinterner Abstimmungen und Zielsetzungen erfolgt sind.

Die wiederholte Anwendung solcher taktisch wirkenden Rücktritte lässt eine strukturelle Praxis vermuten, bei der Wahlergebnisse im Nachgang politisch „korrigiert“ werden. Dies wirft die Frage auf, inwiefern solche Manöver mit dem Anspruch auf demokratische Legitimation in Selbstverwaltungskörperschaften vereinbar sind.

 

Wenn gewählte Kandidatinnen und Kandidaten unmittelbar nach der Wahl unter Verweis auf persönliche Gründe zurücktreten – und daraufhin jene nachrücken, die für ein Vorstandsamt vorgesehen waren, aber nicht gewählt wurden –, entsteht der Eindruck einer systematischen Umgehung des Wählerwillens. Das ist rechtlich zulässig, aber demokratisch fragwürdig.

Das Mittel des taktischen Rücktritts, etwa mit Formulierungen wie „neue Aufgaben“ oder „mehr Zeit für die Familie“, wirkt vor diesem Hintergrund nicht mehr wie eine persönliche Entscheidung, sondern wie ein Werkzeug interner Machtplanung.

Der Beirat wird damit zum Durchlauferhitzer für Vorstandsambitionen – auch dann, wenn der Weg dorthin nicht durch direkte Wahl, sondern durch Rücktrittskonstellationen geebnet wird.

Wenn solche Vorgehensweisen regelmäßig Anwendung finden oder gar im Vorfeld abgestimmt vorbereitet werden, steht weniger der Wille der Mitglieder, sondern vielmehr Big4-Strategie im Vordergrund. Das beschädigt das Vertrauen in die Selbstverwaltung – und es untergräbt das demokratische Prinzip in der Wirtschaftsprüferkammer.

Wahlen sind kein Planspiel mit Option auf Nachkorrektur. Wenn der Vorstand sich am Ende aus anderen Personen zusammensetzt als denen, die ursprünglich gewählt wurden, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wird hier gewählt – oder ausgewählt?

Deswegen: Demokratie lebt nicht vom Rücktritt, sondern vom Rückgrat.

 

Herzliche Grüße
Ihr Mark Schüttler WP/StB
PR1MUS Seminare und das Team von wp-net.


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Bildnachweis: Stock-Illustration: CHUYKO SERGEY/Shutterstock

 

Mark Schüttler
Author: Mark Schüttler

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