wp.weekly | Mit dem BayWa Abschluss 23 Fehlerkultur testen!
Beitragsbild: Die Finanzaufsicht Bafin nimmt den BayWa Jahresabschluss unter die Lupe. wp.net steht für Fehlerkultur, statt Sanktionskultur, wie die WPK. Von Michael Gschrei.
Kategorie: Aktuelles
Datum: 29.11.2024

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„Gott mit Dir, Du Land der BayWa“ lautet der Titel einer skandalbehafteten Parodie der Biermöslblosn auf die Bayernhymne aus den siebziger Jahren. Das vergangene Jahrhundert hat die Parodie überlebt, aber nunmehr ist fraglich, ob sie auch das gegenwärtige überstehen wird. Denn in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres verzeichnete der Münchener BayWa-Konzern Presseberichten zufolge einen Nettoverlust von nahezu 641 Millionen Euro, mehr als das Sechsfache des Vorjahresverlustes. Diese negative Entwicklung sei nicht nur auf schwache Geschäftsergebnisse zurückzuführen, sondern auch auf erhebliche Sonderabschreibungen im ersten Halbjahr.

Spontan denke ich daran, dass die wertbegründenden Ursachen doch nicht alle im ersten Halbjahr 2024 stattgefunden haben können. BAFIN und APAS haben zu ermitteln begonnen, was denn da genau passiert ist, wenn kurz nach einem uneingeschränkten Testat das Schutzschirmverfahren, die „Insolvenz light“, beantragt wird. Gläubiger und Aktionäre werden Einbußen bis zum Totalverlust hinnehmen müssen.

Unser Vorstand Michael Gschrei macht im Folgenden darauf aufmerksam, dass auch aus dieser schlimmen Situation Gutes entstehen kann, wenn die Vorgänge, vor allem die erkannten Fehler, offen kommuniziert werden und sich so die Wiederholungswahrscheinlichkeit zum Wohle aller vermindert.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Ihr Holger Friebel

wp.weekly

 


 

Nun ist es amtlich. Die Finanzaufsicht Bafin lässt den Jahresabschluss des Münchner Handelskonzerns BayWa unter die Lupe nehmen, berichtet das HB am 13.11.24. Der BaFin lägen „konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die BayWa AG gegen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen hat“.

Ende März wurde der Abschluss 2023 von PWC testiert. Im Abschluss 2023 wird das Liquiditätsrisiko als gering eingestuft, wenn auch höher als im Vorjahr. Doch schon drei Monate nach dem Testat grüßten die Liquiditätsengpässe und BayWa wird nun durch Liquiditätsspritzen von über 1 Mrd. € das Überleben ermöglicht.

 

Zur Fehlerkultur habe ich zuletzt ausführlich im März 2023 (Fehlerkultur verbessert die Abschlussprüfung und erhöht die Honorare) berichtet.

Unternehmen, die eine positive Fehlerkultur praktizieren, haben eine andere Grundhaltung gegenüber Fehlern. Zu dieser Grundhaltung gehört, positiv über Fehler zu sprechen und aus dem Fehler zu lernen. Fehler sind grundsätzlich unerwünschte Ereignisse, so z.B. ist ein uneingeschränktes Abschlusstestat trotz großer Mängel im Abschluss für den Prüfer ein unerwünschtes Ereignis. Fehler können aus Unkenntnis, aus leichter, normaler oder grober Fahrlässigkeit oder mit Absicht geschehen.

In einer sanktionsfreien Fehlerkultur werden Fehler als Lern- und Wachstumschance verstanden und die Mitarbeiter (und Chefs) motiviert, über gemachte Fehler zu sprechen. Außerdem soll eine echte und offene Feedbackkultur dazu beitragen, Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden und künftigen Fehlern vorzubeugen.

Wichtig: Nicht jeder Fehler ist eine Lernchance. Fehler, die zum Beispiel aus Sorglosigkeit oder Vorsatz begangen werden, müssen auch entsprechende Konsequenzen haben – gleiches gilt, wenn derselbe Fehler mehrmals begangen wird.

 

  1. Kontinuierliche Verbesserung (der Abschlussprüfung) wird möglich.
  2. Effizientes Arbeiten wird gefördert.
  3. Arbeitsmotivation und Selbstwertgefühl werden durch Anerkennung und konstruktives Feedback gestärkt, während Vorwürfe diesen positiven Effekt nicht fördern.
  4. Fehlerbehebung wird erleichtert, den (härtere) Strafen verhindern keine Fehler, sie fördern eher ihre Vertuschung.
  5. Zusätzliche Innovation gedeiht durch Freiraum und Mut, da eine offene Fehlerkultur die Kreativität fördert – schließlich entstehen die besten Ideen oft fernab von Perfektion
  6. Ein souveräner Umgang mit Kritik sollte selbstverständlich sein. Die Fähigkeit, Feedback und Kritik respektvoll zu formulieren und konstruktiv anzunehmen, ist essenziell für erfolgreiche Veränderungsprozesse und erfordert kontinuierliche Übung.
  7. Fehler könnten trotz negativer Assoziationen als Marketinginstrument genutzt werden, wenn der Prüfer rechtzeitig die Fehlerkultur praktiziert. Der Wirecard-Untersuchungsausschuss legte die enormen Herausforderungen der EY-Prüfer offen, die von Täuschung, Verzögerung und sogar Bedrohungen berichteten. Hier zeigte sich, dass jahrelange Mängelverdrängung auch die positive Fehlerkultur verdrängte.

 

Der designierte WPK-Präsident Andreas Dörschell übermittelte uns vor seinem Amtsantritt im August 2022 seine Meinung u.a. auch zu unserer Fehlerkulturforderung (einer unserer 10 Programmpunkte).

Anlass war der Beiratswahlkampf 2022. Eine unserer Programmpunkte lautete: „Fehlerkultur statt Rasterfahndung, mit dem Bundesanzeiger … Auf mittlere Sicht soll die anlasslose Berufsaufsicht ersetzt werden. Schuldige zu suchen, führt zur Vertuschung“.

Andreas Dörschell nannte uns vier Gründe, warum er und sein Umfeld der Idee einer Fehlerkultur kritisch gegenüberstehen:

  • „Wir sehen die Gefahr, dass sich bei der Abschaffung der Bundesanzeiger (Banz)-Durchsicht dann staatliche Institutionen der Sache annehmen.
  • Wir sehen die Banz-Durchsicht als maßvolles Enforcement-Verfahren im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung.“
  • Wir halten die Berufsaufsicht ohne Sanktion in der Öffentlichkeit nicht für vermittelbar.“
  • Das öffentliche Signal einer Abschaffung der Banz-Durchsicht widerspräche unserem Qualitätsanspruch.“

Wir möchten die Meinung des Präsidenten Andreas Dörschell an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, da aus unserer Sicht keiner seiner vier Punkte gegen die Einführung einer Fehlerkultur spricht. Auch eine gut etablierte Fehlerkultur schließt Sanktionen bei Sorglosigkeit oder Vorsatz nicht aus.

 

Im Osterbrief 2023 haben wir zuletzt unser Modell „Fehlerkultur“ vorgestellt. Der mutmaßliche BayWa-Abschlussprüferkandal ist für mich wieder ein weiterer dringender Weckruf, die Einführung einer positiven Fehlerkultur im Prüfungswesen voranzutreiben. Warum es zum Crash kommen lassen, wenn die Lösung so naheliegend ist.


Mit den besten Grüßen
Ihr Michael Gschrei
und das Team von wp.net e.V.



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Bildnachweis: Stockvektorgrafik: FON’s Fasai/Shutterstock

 

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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