Das heutige wp-weekly ist der WPK-Beiratssitzung am 1. Dezember 2023 geschuldet. Unser Beiratsmitglied Dr. Richard Wittsiepe gibt uns einen Einblick in wichtige bevorstehende Abstimmung.
Die beiden wp-net-Listen haben zwar keine Mehrheit, aber doch so viele Stimmen, dass sie der 2/3-Mehrheit vom IDW/Big4-Beirat einen Strich durch ihre Abstimmungsplanung machen könnten. Dazu braucht es aber den Zusammenhalt der beiden Gschrei/Eschbach-Listen. Wir werden über diese Sitzung berichten.
Warum diese Sitzung sich vielleicht als eine historische herausstellen wird, liegt an den Abstimmungsthemen. Dazu berichtet heute Dr. Wittsiepe über wichtige (vorgesehene) Änderungen der Berufssatzung und Satzung für Qualitätskontrolle.
Studieren Sie die kritische Beleuchtung der Satzungsänderungen von Dr. Richard Wittsiepe, seine kritischen Anmerkungen zur einseitigen Übernahme von ISQM 1+2, ISA 220 (rev.) sowie seine Vorschläge zur Verhältnismäßigkeit und die negativen Auswirkungen auf kleine und mittlere Praxen durch Außerachtlassung der Verhältnismäßigkeit.
Anbei unsere heutige Stellungnahme an die Kammerführung.

WPK-Änderungsvorschläge zur Berufsatzung WP/vBP
wegen ISQM 1+2, ISA 220 (rev.), kritische Grundhaltung sowie Änderung der Satzung für QK
von WP StB Dr. Richard Wittsiepe
Mitglied bei wp-net e.V.
Nachfolgend nehmen wir zu den drei geplanten Änderungen der Berufssatzung (BS) bzw. Satzung für QK durch den Big4/IDW-Vorstand Stellung.
1.) Gravierender Fehler (Mangel) ist die Außerachtlassung der Pflicht zur Verhältnismäßigkeit über alle Regelungen hinweg.
1.1. Massive Defizite in der Verhältnismäßigkeit
Die EU RL fordert diesen rechtstaatlichen Grundsatz in Artikel 29 Abs. 3 EU RL: „(3) Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe k verlangen die Mitgliedstaaten von den zuständigen Behörden, dass sie bei der Durchführung von Qualitätssicherungsprüfungen der Abschlussprüfung von Jahres- oder konsolidierten Abschlüssen von mittleren und kleinen Unternehmen die Tatsache berücksichtigen, dass die gemäß Artikel 26 anzunehmenden Prüfungsstandards in einer Weise angewandt werden sollen, die dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit des geprüften Unternehmens angemessen ist.“
Der deutsche Gesetzgeber hat sich 2016 bei der Umsetzung der Abschlussprüferrichtlinie zum EU SMALL BUSINESS ACT bekannt und ausdrücklich die Vermeidung von bürokratischen Doppeltstrukturen für Nicht PIE-Prüfungen als Begründung genannt. Genau diese bürokratischen Doppelstrukturen sollen jetzt aber geschaffen werden.
Als Begründung wird u.a. angeführt, dass sich der deutsche Berufsstand zur Umsetzung der ISQM verpflichtet habe. Dazu ist anzumerken, dass diese Verpflichtung keine gesetzliche, sondern eine Selbstverpflichtung darstellt. Ebenfalls hat das IDW nur äußerst widerwillig die ISA als Prüfungsstandards mit erheblicher zeitlicher Verzögerung umgesetzt und zwar als ISA-DE. Dabei wurden vorhandene Übersetzungen der ISQM 1 und 2 zurückgehalten, so dass dem Berufsstand keine deutschen Übersetzungen zur Verfügung stehen. Erst nach Einschaltung von BMWK-Staatssekretär Sven Giegold rückte das IDW die beiden Übersetzungen raus. Seit gestern sind ISQM 1 + 2 beim IDW zu kaufen.
Weiter ist anzumerken, dass ISQM 1 und 2 sowie ISA 220 (rev.) zahlreiche detaillierte Skalierungen für kleine Praxen enthalten, die in der Vorlage zur Satzungsänderung keine Berücksichtigung gefunden haben. Seitens wp.net sowie seiner Vertreter im Beirat wurde durch zahlreiche Schreiben auf diese Mängel hingewiesen, die allerdings allesamt ignoriert wurden. Dies hat zur Folge, dass die Prüfungs- und Kontrollintensität für kleine und mittlere Praxen deutlich erhöht und damit auch die Grundlage für Beanstandungen (KfQK, Berufsaufsicht) verbreitert wird.
In der Praxis trifft dieser gravierende Mangel in erster Linie die kleinen und mittleren Praxen.
Die einseitig auf große Praxen ausgerichtete geplante Umsetzung von ISQM 1 in der Berufsatzung halten wir deswegen für nicht mit EU-Recht vereinbar. Sie stellt aus unserer Sicht einen klaren Verstoß gegen die Regierungsbegründung zur Umsetzung der EU-Abschlussprüfer-RL dar. An der Haltung des deutschen Gesetzgebers hat sich in dieser Hinsicht auch nichts geändert, wie die Umsetzung des FISG belegt. Es sind auch keine Initiativen zur Verschärfung der Regelungen für kleine und mittlere Praxen bekannt.
Wir schlagen deswegen vor, dass die Berufssatzung auch konkrete Lösungen der Verhältnismäßigkeit aufnimmt, so wie es der IDW/wp-net-WPK-Vorstand 2018-2022 schon beschlossen hatte: In die Berufssatzung sollte bspw. Folgendes aufgenommen werden:
„In einer wenig komplexen Praxis, d.h. einer Praxis mit bis zu zwei Prüfungspartnern und zusammen bis zu fünf Prüfungsaufträgen p.a. kann der verantwortliche Abschlussprüfer sämtliche Funktionen der Kontrolle und Bewertung seines internen Qualitätssicherungssystems nach § 55b WPO einschließlich der Nachschau und Berichtskritik im Rahmen der Selbstvergewisserung durchführen.“
Dafür hatte sich sogar der gesamte WPK-Vorstand aus Vertretern von Big4, IDW und wp-net in der Amtsperiode 2018-2022 bis zum Ende noch stark gemacht.
1.2. Änderung der Berufssatzung mit Neuformulierung der kritischen Grundhaltung in § 37 BS ist nicht angemessen!
Die Schaffung einer verhältnismäßigen Berufssatzung in Anlehnung an ISQM1 betrifft alle Regelungsbereiche. Dies beginnt mit dem wirksamen Risikobewertungsprozess nach § 55b Abs. 2 Nr. 1 WPO (Umfang nicht geregelt) und führt zur Einführung einer allgemeinen Pflicht zur Einrichtung eines Informations-und Kommunikationsprozesses in kleinen Praxen, die realitätsfremd ist. In kleinen Praxen tauschen sich die wenigen oder der einzige Berufsangehörige(n) fast täglich miteinander bzw. mit dem Prüfungsteam aus.
Gleichzeitig verlangen die vorgesehenen Änderungen eine qualitätsfördernde Unternehmenskultur. Die Unternehmenskultur ist eine Schwester der Fehlerkultur, die jedoch vom jetzigen Vorstand abgelehnt wird, obwohl es – wie Wirecard es uns gezeigt hat – notwendig gewesen wäre. Es fehlen glaubwürdige Regelungen oder Umsetzungshilfen für die großen Praxen und verhältnismäßige Lösungen für die kleinen Praxen.
Völlig absurd erscheint uns die Begründung des WPK-Vorstands zur Anpassungen der Berufssatzung an ISQM1. Die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des dt. WP Berufsstands kann kein Grund für Satzungsänderungen sein. Hier wird Lobbypolitik mit Gesetzgebung verwechselt. Auch wenn wohl bewusst das Wort „international“ weggelassen wurde, soll anscheinend davon abgelenkt werden, dass die Übernahme von ISQM 1 in die Berufssatzung die Big4-Prüfungstätigkeit für die internationalen Netzwerkpartner sicherstellt. Der deutsche WP-Beruf braucht keine dieser Regelungen. Die Satzungsänderung dient nur den großen Gesellschaften.
Dabei wird außer Acht gelassen, dass ISQM 1 und 2 sowie ISA 220 (rev.) ausdrücklich nationale Regelungen in Abweichung vom ISA-Regelwerk zulassen, sofern diese ähnlich ambitioniert sind. Es wird demnach gar keine 1:1 Umsetzung verlangt, sondern ausdrücklich nationale Regelwerke als gleichwertig anerkannt. Die deutsche Regelung basiert auf EU-Recht und ist somit international in der jetzigen Form als gleichwertig anzusehen.
2.) Änderung der Berufssatzung mit Neuformulierung der kritischen Grundhaltung in § 37 BS ist nicht angemessen!
Die elementare Bedeutung der kritischen Grundhaltung für Prüfungsnachweise und Testate darf nicht durch individuelle Überlegungen beeinträchtigt werden. Der Interpretationsspielraum der neuen Merkmale der kritischen Grundhaltung (überzeugend, geeignet, verlässlich) können zu falschen Testaten führen. Dies hat das Beispiel HRE-Prüfung 2007 gezeigt, als der KPMG-Abschlussprüfer von unzureichend transparenten Datenmaterial (ungeprüfte Ergebnisse der Ratingagenturen) von Plausibilitätsüberlegungen überzeugen ließ. In der BS fehlt unserer Meinung nach der Hinweis auf den zwingenden Prüfungsnachweis, der sicherstellt, dass jeder Prüfer zum gleichen Ergebnis kommen muss.
Die neue Lösung zur kritischen Grundhaltung ist für uns nicht gesetzeskonform.
3.) Doppelsanktionierung im Qualitätskontrollverfahren ist verfassungswidrig
Wir lehnen die gleichzeitige Verknüpfung von Auflagen mit einer Maßnahme wie Sonderprüfung im Rahmen der Auswertung der Qualitätskontrolle ab. Bei Maßnahmen sind Doppelbelastungen nicht sachgerecht. Wir verweisen auf die Kommentierung zu § 57e Abs. 2 und 3 Tz. 8-24 (WPO-Kommentar, 3. Auflage, IDW-Verlag). Danach ist eine gleichzeitige Anordnung von Auflagen und Sonderprüfung nicht vorgesehen und unverhältnismäßig.
Wir fordern vielmehr, die Qualitätskontrollen bei den vier großen Gesellschaften transparenter zu gestalten.
FAZIT: Es mutet befremdlich an, wenn ausgerechnet die WPK sowie das IDW deutliche Verschärfungen des QS-Systems anstreben, die im Ergebnis ausschließlich kleine und mittlere Praxen treffen, obwohl weder seitens der EU noch des deutschen Gesetzgebers in dieser Hinsicht irgendwelche Forderungen gestellt wurden oder werden. Im Gegenteil halten sowohl EU als auch der deutsche Gesetzgeber am EU SMALL BUSINESS ACT und der damit verbundenen Entbürokratisierung fest.
Es grüßt Sie
Dr. Richard Wittsiepe
Mitglied im Beirat der WPK
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Bildnachweis: Joyseulay/Shutterstock