wp.weekly: Der Bestätigungsvermerk in den Fängen der WPK-Berufsaufsicht
Adressaten-Wirrwarr
Kategorie: Aktuelles | WPK
Datum: 20.06.2023

wp-net möchte die Abschlussdurchsicht gerne abschaffen. Wir halten die positive Fehlerkultur als zielführender zur Fehlervermeidung. Die Vertreter von IDW/Big4 und die mitlaufenden Vertreterinnen der kleinen und mittelgroßen Praxen wollen aber nicht darauf verzichten.

Unserer Meinung nach fehlt dem WPK-Personal bei der Auswertung der offengelegten Abschlüsse eine wünschenswerte Unparteilichkeit. Auch beim ISA-Übersetzer stellen wir eine gewisse Einseitigkeit fest. Deswegen fällt der Bestätigungsvermerk häufig der „Auswertungsblindheit“ zum Opfer.

Neuerdings moniert die WPK-Berufsaufsicht im Rahmen der Abschlussdurchsicht bei einem ISA-Anwender das Weglassen des Adressaten im Bestätigungsvermerk. Da ein größerer Kreis davon betroffen zu sein scheint, lassen wir unser Mitglied im Arbeitskreis Bestätigungsvermerk nach HGB und nach ISA, Herrn WP/StB/RA Holger Friebel, zu diesem Thema zu Wort kommen.

wp.weekly


Analyse des Adressaten-Wirrwarrs

von Holger Friebel
Mitglied bei wp-net e.V.

Bis 2018 war die Angabe eines Adressaten auf dem Bestätigungsvermerk (im Folgenden auch Adressierung des Bestätigungsvermerks) im Rahmen einer Pflichtprüfung nicht vorgesehen. Der damals geltende IdW PS 400 sah eine Adressierung nur bei freiwilligen Prüfungen vor, da sich die Adressaten des Bestätigungsvermerks einer Pflichtprüfung bereits aus den Gesetzen ergeben würden. Nach alter Lesart war eine freiwillige Adressierung wegen der dadurch suggerierten Einengung des Empfängerkreises auch nicht geboten. Bei freiwilligen Prüfungen wurde das anders gesehen, da sich jemand bewusst für die Prüfung entschieden hat und deshalb ein Adressat vorhanden ist. Aus den deutschen Rechtsvorschriften heraus ist keine Pflicht ableitbar, dass eine Adressierung bei Pflichtprüfungen zu erfolgen hat.

Angabe des Adressaten im Bestätigungsvermerk ohne Rechtsgrundlage

Da § 322 HGB diesbezüglich auch nicht geändert worden ist, besteht bis heute keine gesetzliche Verpflichtung, einen Adressaten zu benennen. Die Begründung lautet heute wie damals, dass der Empfängerkreis des Bestätigungsvermerks einer Pflichtprüfung nicht sinnvoll eingrenzbar ist, da er alle angeht, nicht nur das Unternehmen.

Daneben ist die Art und Weise, wie die Adressierung zu erfolgen hat, bereits hinterfragbar. Die ISA regeln nicht, wer Adressat des Bestätigungsvermerks ist, das ergibt sich aus dem Auftrag. Laut PS 400 soll das Unternehmen der Adressat sein. In Deutschland ist es so, dass prüfungspflichtige Unternehmen in der Regel nicht selbst handeln können, sondern sich dafür ihrer Organe bedienen müssen. Die saloppe Adressierung des PS 400 an das Unternehmen ohne Angabe des zuständigen Organs wird als an die Geschäftsführung oder den Vorstand gerichtet zu interpretieren sein. Bei Aktiengesellschaften erhält der Abschlussprüfer jedoch in der Regel seinen Auftrag vom Aufsichtsrat. Diesem hat er auch den Prüfungsbericht vorzulegen. Der Prüfungsbericht wiederum hat eine Wiedergabe des Bestätigungsvermerks zu enthalten. Im Gesetz ist nicht direkt geregelt, wer Empfänger des Bestätigungsvermerks ist (s.o.). Die vom IdW, als Verfasser des PS 400, vorgeschlagene Lösung, einfach die Angabe des zuständigen Organs des betroffenen Unternehmens wegzulassen, kann nur als Schuss ins Blaue verstanden werden, der das dualistische System der deutschen Aktiengesellschaft außer Acht lässt. Die Frage, ob diese Lösung überhaupt eine Adressierung iSd ISA ist, bleibt offen! Denn es ist nicht sicher, ob der Vorstand der richtige Empfänger für die Aussagen im Bestätigungsvermerk ist.

Standardentwickler IdW lässt ergänzenden ISA 700.50 außen vor

Mit der Basierung der IdW-Prüfungsstandards auf den ISA wurde vom IdW (!) die Adressierung auch bei Pflichtprüfungen vorgeschrieben, wenn der Prüfung die Standards des IdW zu Grunde gelegt werden. Dies geschah in Bezug auf ISA 700.22. Dieser lautet im Original:

„The auditor’s report shall be addressed, as appropriate, based on the circumstances of the engagement. (Ref.: Para. A21)“ und wurde vom IdW wie folgt übersetzt:

„Der Vermerk des Abschlussprüfers ist nach den Umständen des Auftrags in angemessener Weise zu adressieren. (Vgl. Tz. A21)“.

Die Entwickler des Prüfungsstandards IdW PS 400 haben, aus mir nicht bekannten Gründen, die Kollisionsnorm ISA 700.50 außer Acht gelassen. Diese regelt die Interessenskollision für den Fall, dass im Rechtsraum der Prüfung (hier: Deutschland) konkurrierende Vorschriften zum Aufbau oder Wortlaut des Vermerks bestehen. Die Kollisionsnorm ISA 700.50 lautet im Original in ihrer lit b):

„An addresse, as required by the circumstances of the engagement.“ und wird vom IdW übersetzt mit „einen Empfänger, wie nach den Umständen des Auftrags erforderlich;“

Aufgrund der Existenz des § 322 HGB, der sowohl Vorgaben für den Aufbau (u.a. „in einem einleitenden Abschnitt“) als auch für den Wortlaut (u.a. „hat der Abschlussprüfer zu erklären“) beinhaltet, ist die Kollisionsnorm ISA 700.50 einschlägig und anzuwenden. Im Unterschied zu ISA 700.22 fehlt in der Kollisionsnorm ISA 700.50 das Wort „muss“ („shall“, übersetzt mit „ist“, also im Imperativ). Während das IdW bei der Fassung seiner Standards grundsätzlich frei ist, muss im gegebenen Fall von der WPK bei der Durchsicht nur auf die ISA als verwendeter Prüfungsstandard und eben nicht auf die IdW-Interpretation der ISA abgestellt werden. Die ISA stellen einzig auf die Vereinbarungen im zu Grunde liegenden Auftrag ab, wie sich bereits aus dem Fachgutachten von wp-net zur ISA-Prüfung von 2018 ergibt.

Fazit: Die Abschlussdurchsicht hat Verbesserungspotenzial

Nur wenn der Auftrag eine Adressierung erfordert, verlangen die ISA, dass der Bestätigungsvermerk adressiert wird. Wie schon eingangs dargestellt, schreibt das deutsche Handelsrecht keine Adressierung vor. Deswegen muss bei der Forderung der Adressierung durch die Kammer unterschieden werden, ob zwischen den Parteien die Adressierung im Auftrag konkret vereinbart worden ist oder nicht. Nur im Fall der Vereinbarung bestünde die Möglichkeit der Kammer, das Fehlen des Adressaten zu rügen.

Diese Information kann dem offengelegten Abschluss regelmäßig nicht entnommen werden. Die WPK-Abschlussdurchsicht hat in dem dargestellten Fall keine Handhabe, Einsicht in den Prüfungsauftrag zu nehmen. Sie muss von der wahrscheinlichen Auftragserteilung ohne Pflicht zur Adressatenbenennung ausgehen, wenn sie keine anders lautenden konkreten Anhaltspunkte hat. Damit ist ihr im Regelfall die Monierung des fehlenden Adressaten bei einer Prüfung nach ISA nicht möglich.

Was sind die Hintergründe und Motive für diese Verhaltensweise der Kammer?

Mit kollegialen Grüßen

Dipl.-Kfm. Holger Friebel
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater Rechtsanwalt


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Bildnachweis: sdecoret/Shutterstock

Holger Friebel
Author: Holger Friebel

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