wp.weekly: Wenn bei der QK form over substance triumphiert…
Qualitätskontrolle: Form über Inhalt
Kategorie: Aktuelles | WPK
Datum: 12.04.2024

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Der traditionelle Beruf des Wirtschaftsprüfers zieht sich zurück. Nach 20 Jahren Qualitätskontrolle im Non-PIE-Bereich waren 2022 nur noch etwa 26 % der WP-Praxen als Abschlussprüfer registriert. Dieser Trend setzt sich fort. Ursachen dafür sind intern zu finden. 

Ein Hauptfehler liegt für mich darin, dass schon von 2000 an Maßnahmen der Börsenaufsicht auf die Nicht-Börsenprüfer und ihre Prüfungsmandate übertragen wurden. Eines von vielen Beispielen, bei dem sich der WP-Mittelstand “über den Tisch hat ziehen lassen”. So ist auch die Fachaufsicht über die Selbstverwaltungskörperschaft “Wirtschaftsprüferkammer” ein Zivilisationsbruch. Ich kenne keine freiberufliche Kammer in Deutschland mit fachfremder Fachaufsicht. Bis vor kurzem noch erhielt die APAS alle bei der KfQK eingereichten QK-Berichte. Dann haben wir registriert, dass die “sogenannte Letztaufsicht APAS” auch auf dem Aufsichtsplatz “KfQK” ihren Platz mit einnahm. Als kritischer Beobachter der Kommission f. QK habe ich in den 20 Jahren den Eindruck gewonnen, dass die KfQK sich weniger als Teil der WPK, sondern vielmehr als Teil der APAS sah. Im Tätigkeitsbericht 2016 der KfQK auf Seite 7 wird z.B. über die freiwillige Zustimmung der KfQK zu den fünf kritischen Erfolgsfaktoren berichtet.

Einen aktuellen Bericht aus der überbordenden Qualitätskontrolle entdeckte PRIMUS-Mark Schüttler im WPK-Magazin 1/2024, S 18ff. Mit seiner ausgeprägt kritischen Grundhaltung sieht er den Fall ganz anders, als es die Kommission gesehen hat. Die KfQK hat den Fall eines verunglückten Bestätigungsvermerks aufgegriffen und die Kammer – vielleicht als Beispiel von positiver Fehlerkultur – darüber im WPK-Magazin berichtet. Dieser Fall, mit dem großen Aufsichtseifer, und vier weitere wichtige Themen werden von Mark Schüttler in seiner Sommer-Vortragsreihe im Mai/Juni 2024 präsentiert. wp.net und Sie erhalten diesen „Aufsichtsunfall“ schon vorab als Weekly-Newsletter. 

Obwohl der Mangel noch während der Qualitätskontrolle vom WP behoben wurde, holte die KfQK die Berufsaufsicht VOBA mit ins Boot – ob rechtens oder nicht, werden die Gerichte klären müssen. Lesen Sie dazu bitte Mark Schüttlers Weekly von heute.

Was lerne ich daraus? Die kritische Grundhaltung gilt nicht nur für die Abschlussprüfer. Auch den Aufsichten täte es gut, die kritische Grundhaltung bei sich selber anwenden, um nicht im Überverfolgungseifer zu geraten: Das Recht sind wir, die Exekutiven, was interessieren uns Gerichtsentscheidungen!

Lassen wir also Primus Mark Schüttler zu Wort kommen.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr Michael Gschrei 
und das Team von wp-net

wp.weekly

 


Über eine scheinbar misslungene Erteilung und Wiedergabe des Bestätigungsvermerks berichtet die Wirtschaftsprüferkammer im WPK-Magazin Q1-2024, Seite 18 f.

Ein Berufskollege hatte bei der BV-Erteilung wohl nicht aufgepasst, behauptet die KfQK. Sein Muster-Prüfungsbericht war unvollständig. Durchweg hatte er bei seinen Prüfungen den Bestätigungsvermerk im Prüfungsbericht zwar wiedergegeben, aber nicht erteilt. 

Das fiel dem Prüfer für Qualitätskontrolle auf. Daraufhin ergänzte der Berufskollege seinen Muster-Prüfungsbericht. Der Angemessenheitsmangel war abgestellt.

Über die Auswertung des Qualitätskontrollberichts erfuhr dann die Kommission für Qualitätskontrolle (KfQK) von der Sache und beurteilte die Lösung des Kollegen als 

  • wesentlichen Mangel in der Angemessenheit des Qualitätssicherungssystems und als
  • Einzelfeststellungen von erheblicher Bedeutung.

2. Kommission holt die ganz große Keule (VOBA) raus

Die Kommission für Qualitätskontrolle zählt als Mängel auf:

  • Die Bestätigungsvermerke seien nicht erteilt.
  • Die Prüfungen seien nicht abgeschlossen.
  • Die Abschlüsse gelten als ungeprüft.
  • Ggf. seien die Abschlüsse nichtig (§ 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG).

Nun droht dem Berufskollegen von der Berufsaufsicht eine Rüge mit Geldbuße.

Erst erteilt der Prüfer einen Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB). 
Dann gibt er diesen Bestätigungsvermerk im Prüfungsbericht wieder
Der Prüfer hat die Wahl (IDW PH 9.450.2 (01.2022):

  • Er kann den Bestätigungsvermerk im Prüfungsbericht wiedergeben und erteilen. Die Wiedergabe erfolgt im Hauptteil, die Erteilung erfolgt in den Anlagen zum Prüfungsbericht nach Abschluss und Lagebericht. 
  • Im Prüfungsbericht kann der Bestätigungsvermerk nur wiedergeben, aber nicht erteilt werden. Dann muss der APr Abschluss und Lagebericht zu einem Testatsexemplar neben dem Prüfungsbericht zusammenbinden und den erteilten Bestätigungsvermerk am Ende des Testatsexemplars anbringen. 

Liebe Kommission für Qualitätskontrolle, muss ich Dich erst darauf aufmerksam machen, dass das OLG Stuttgart schon vor Jahren den Unterschied zwischen Erteilung und Wiedergabe des Bestätigungsvermerkes als 

 „überflüssige Förmelei“ 

abgetan hat (OLG Stuttgart, 20 U 8/08, Urteil vom 1.7.2009, BeckRS 2009, 18606). 

Im Wortlaut
Gibt der unterzeichnete Prüfungsbericht den Bestätigungsvermerk wieder, ist davon auszugehen, dass der Bestätigungsvermerk erteilt wurde. Die Aufnahme des Bestätigungsvermerks in den Prüfungsbericht steht (…) seiner gesonderten Erteilung gleich (…)“. 

Zwar sei der Bestätigungsvermerk neben dem Prüfungsbericht (gesondert) zu unterzeichnen (§ 322 Abs. 7 Satz 1 HGB). „[Dieses Erfordernis] überzeugt aber nur, wenn den gesetzlichen Vertretern der Abschlussprüferin, welche den Prüfungsbericht unterzeichnen, im konkreten Fall (…) die WP-Eigenschaft fehlt; andernfalls handelt es sich bei dem Erfordernis doppelter Unterzeichnung um eine überflüssige Förmelei.“

Die Prüfung ist auch dann abgeschlossen, wenn es im Prüfungsbericht zwar keinen erteilten Bestätigungsvermerk, dafür aber einen wiedergegebenen Bestätigungsvermerk gibt (vgl. auch BeckOGK, HGB, § 321, Rz. 82 (Januar 2024)).

Begründung: 
Die Erteilung des Bestätigungsvermerkes geht der Wiedergabe des Bestätigungsvermerkes logisch voraus.

Damit enthält die Ausfertigung des Prüfungsberichtes eine konkludente Erteilung des Bestätigungsvermerkes (vgl. auch Bormann, Zusammenspiel von Abschlussprüfung und Prüfung durch den Aufsichtsrat, DStR 2011, 368, 368).

Die Prüfung hat also stattgefunden, der Jahresabschluss kann festgestellt werden. Und es gibt keine Nichtigkeit.

Und deshalb gibt es auch keinen Anlass für eine berufsaufsichtliche Maßnahme! Zumal hat der Berufskollege noch während der Qualitätskontrolle seinen Muster-Prüfungsbericht anpasste. 

Eines versteht sowieso niemand
Ein Bestätigungsvermerk zweimal im Prüfungsbericht!

Bestimmt hat der Berufskollege gute Chancen, vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolgreich gegen eine berufsaufsichtliche Maßnahme vorzugehen. 

Auch unterlassenes Siegeln lässt die Wirksamkeit eines Bestätigungsvermerks unberührt: 
Die Siegelung ist nur eine berufsrechtliche Pflicht.

„Die berufsrechtlich vorgeschriebene Siegelung gehört nicht zu den zur Vermeidung 
der Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG gebotenen Mindestanforderungen.“ 
OLG Stuttgart, 20 U 8/08, Urteil vom 1.7.2009, BeckRS 2009, 18606)

Dagegen kann ein Bestätigungsvermerk tatsächlich nicht erteilt sein, wenn er unvollständig ist. 

Beispiel: 
Der Bestätigungsvermerk enthält keine Prüfungsurteile (vgl. Schüttler, Rechtsfolgen eines unvollständigen Bestätigungsvermerks, DB 2020, 1415, 1415; zustimmend BeckOGK, HGB, § 321, Rz. 82 (Januar 2024)).

Danke für die Begleitung bis ans Ende des Weeklys.

Wenn sie mögen: Wir sehen uns wieder ab 8. Mai 2024 auf den Seminaren – PR1MUS voraus! 

Ihr Mark Schüttler


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Bildnachweis: metamorworks/Shutterstock

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Mark Schüttler
Author: Mark Schüttler

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